Brausepulver für den Papst
recht auffällig. Trotzdem lag in seinen hölzernen Bewegungen eine unübersehbare Stärke.
Justin goss sich einen weiteren Dattelschnaps ein und schaute nachdenklich zu, wie der Page das Gepäck des Paares in der Aufzugskabine verstaute. Dann schloss sich automatisch die Tür. Justin widmete sich wieder seinem Schnaps.
***
Maurice Castellane seufzte gequält. Der Flug von Paris nach Khartum hatte ihn angestrengt. Leider gab es keine Concorde, die den Sudan anflog, und die erste Klasse der Sudan Airways war etwa so bequem wie die Touristenklasse gewisser Billigflüge auf die Kanaren. Das Menü hatte sich als aufgepeppter Burger entpuppt, der Champagner als Erdbeersekt, als Film hatte es ›Sissi, wie sie weint und lacht‹ gegeben, die Stewardess war schwerhörig, kurz: Die Anreise war ein einziges Desaster gewesen.
Ich habe es verdient,
dachte Maurice.
Welcher halbwegs kultivierte Mensch fliegt schon freiwillig nach Khartum?
Hinzu kam, dass er auf ausdrücklichen Wunsch seiner Gattin Gertrud seinen Diener Peer in Paris hatte zurücklassen müssen, eine Entscheidung, die sich nun bitter rächte. Gertrud würde kaum in der Lage sein, hier für den Luxus zu sorgen, der Maurice gebührte. Für einen verwöhnten Ästheten wie ihn war das Khartum-Hilton keine Luxusherberge, sondern eine Katastrophe. Unvorstellbar, dass es das beste Haus der Stadt sein sollte. Die Klimaanlage funktionierte nicht, der hölzerne Deckenventilator stammte noch aus der Kolonialzeit und die Getränke in der Minibar waren so warm, dass man Eier darin kochen konnte.
Mühsam hinkte Maurice zum Badezimmer. Vielleicht entspannte ihn ja ein heißes Bad. Er konnte es sich nicht leisten, in dieser schlechten Stimmung ein Meeting anzutreten, von dem so viel abhing. Der Handel mit seltenen Pilzen erforderte Fingerspitzengefühl und noch mehr Sachverstand. Besonders, wenn es darum ging, in Khartum noch einige Pilzsporen zu verbreiten, von denen sein Geschäftspartner nicht unbedingt etwas wissen musste. Ein Pilzgeflecht ganz besonderer Art, das nur ungute Gelüste in diesem wecken würde.
Ungute Gelüste? Maurice seufzte und öffnete den Badezimmerschrank. Da war es ja, das braune Fläschchen. Es stand versteckt hinter dem Rasierzeug und war für alle Fälle harmlos beschriftet mit »Mundwasser«. Maurice hielt die Flasche ans Licht. Immer wieder hatte er sich vorgenommen, nicht so hemmungslos zu sein. Doch bei dem Gedanken an seine Geschäfte hatte er sofort an das braune Fläschchen denken müssen. Ein schmerzliches Zucken lief über seine Mundwinkel. Nun gut, es ließ sich nicht vermeiden, und entspannt würde er die kommenden Tage viel besser ertragen.
Er schloss sorgfältig die Badezimmertür. Dann entnahm er einem Kosmetikkoffer ein handgroßes Kissen mit einem gelben Seidenbezug und legte es sorgfältig auf die Spiegelablage. Aus dem Spiegel sah ihn ein blasses, teilnahmsloses Gesicht an. Er schraubte die Flasche auf, schloss die Augen und atmete den berauschenden Duft ein, der von dem Zuckerwasser mit Zwiebeln aufstieg. Er gönnte sich drei tiefe Atemzüge. Seine Augenlider begannen leicht zu flattern, seine Wangen röteten sich. Es gab auf der ganzen Welt nichts Besseres, als diesen Duft seiner Kindheit einzuatmen. Damals hatte Mutter ihm dieses Hausmittel gegen Husten eingeflößt und ihn danach an ihren großen, von einer gelben Seidenbluse umhüllten Busen gedrückt.
Maurice packte das Seidenkissen und begann es zu kneten. Eine Weile stand er stocksteif und walkte das Kissen ordentlich durch, bis ihn die Ekstase übermannte und er sich mit einem geflüsterten: »Oh, diese Lust!«, verströmte. Danach verstaute er das zerknitterte Objekt wieder in dem Kosmetikkoffer und die braune Flasche hinter dem Rasierzeug.
Es dauerte drei Sekunden, bis ihm einfiel, weshalb er eigentlich ins Bad gegangen war. Er drehte beide Wasserhähne auf, doch es strömte nur lauwarmes Wasser heraus. Damit hätte er rechnen müssen. Aber auch ohne Bad fühlte er sich angenehm entspannt. Er hinkte zurück ins Schlafzimmer und bettete seinen Körper auf das große Doppelbett.
Von Maurice unbemerkt, hatte seine Frau Gertrud das Schlafzimmer betreten. »Liebster, können wir unseren Tee nicht in der Lobby trinken?«, fragte sie und setzte sich zu ihm auf die Bettkante.
»In der Lobby?« Diese Vorstellung lag Maurice so fern wie eine Reise zum Mond.
»Ja. Ich würde gerne wissen, was hier für Gäste wohnen.«
Gertrud zupfte verlegen an ihrem goldenen Anhänger,
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