Braut von Assisi
mitreißendes Gelächter aus.
»Dafür wird mein Bauch immer runder«, rief sie vergnügt. »Wenn du die seitlichen Nähte nicht ein bisschen auslässt, Aldiana, werden die Leute denken, Federico habe mich bereits geschwängert – na, das Getratsche möchte ich hören!«
Stella war ihr dankbar für die Ablenkung. Der Erbin des Hauses Lucarelli würde die Schneiderin nichts Freches entgegenzusetzen wagen, während sie bei ihr, dem Findelkind – wie ganz Assisi wusste – nur zu gern ihre Spitzen anbrachte. Stella wusste selbst, dass sie in letzter Zeit an Gewicht verloren hatte. Aber wie konnte sie Simonettas üppige Speisefolgen genießen, wenn ihr so vieles durch den Kopf ging?
Ein Jammer, dass der Spiegel nicht groß genug und dazu halb blind war! Und dennoch gefiel ihr, was er ihr zurückwarf: eine junge, schlanke Frau in einem hellgrünen Kleid, das perfekt mit dem Schwarz der Haare und der Farbe der Augen harmonierte. Was machte es schon aus, dass es nicht so eng wie eine Wurstpelle saß!
Sie hasste Kleider, in denen sie keine Luft bekam. Als Kind hatte sie manchmal heimlich in Simonettas unzähligen Truhen gestöbert, dabei eines Tages verblichene Knabenkleider entdeckt, sie angezogen und sich in ihnen auf der Stelle sehr wohl gefühlt. Die Ohrfeigen, die sie damals eingefangen hatte, konnte sie noch heute auf ihren Wangen spüren. Doch viel mehr hatten die Worte sie verletzt,
die ihre Ziehmutter in höchster Erregung hervorgestoßen hatte. Bis heute waren sie tief in ihrer Seele eingebrannt: »Die Kleider meiner toten Söhne – nie mehr wirst du sie anfassen, du gottverlassenes Hurenkind, hast du mich verstanden? Wären sie noch am Leben, wenigstens einer von ihnen, du hättest niemals unser Haus betreten.«
Ein Tag, der eine Zäsur gesetzt hatte, die bis heute andauerte. Seitdem hatte Stella all dem Gurren und Kosen Simonettas niemals mehr wirklich trauen können, war immer wieder zurückgezuckt vor deren überschwänglichen Zärtlichkeiten und hatte um ihr heißes Herz eine hohe Mauer gezogen.
Sich Simonettas Küchenkünsten zu verweigern, bereitete Stella heimliche Freude. Ihr lag nichts an den verfeinerten Köstlichkeiten, mit denen die anderen sich tagtäglich vollstopften: Trüffeln, Steinpilzen, Wildschweinpasteten, Maronen oder fetten Kapaunen. Ihr Körper sehnte sich nach anderer, leichterer Kost, und dass sie die im Haus Lucarelli nicht so einfach bekommen würde, hatte sie schon lange herausgefunden. Dabei war sie alles andere als eine Hungerleiderin. Schlichte, einfache Speisen mochte sie am liebsten: ein Stück knuspriges Brot, weißen Käse, Oliven sowie die kräftigen Suppen, die das Personal des Stadthaushaltes für sich kochte, wenn die Herrschaft auf dem Landsitz weilte.
»Carlo della Rocca liebt nun mal schlanke Frauen«, sagte Stella angelegentlich und genoss, wie Aldiana zurückzuckte, als habe sie mit einem Mal begriffen, wohin sie gehörte.
Ilaria, die es besonders liebte, wenn ihre Sternenschwester schlagfertige Antworten erteilte, spitzte die Lippen und begann einen Gassenhauer zu pfeifen.
Stella drehte sich weiter vor dem Spiegel. Vielleicht war sie einen Augenblick zu sehr in den eigenen Anblick vertieft
gewesen. Vielleicht hatte sie aber auch der Wunsch nach Schönheit und Glück zu weit aus der stickigen Nähstube hinausgetragen in frischere, weitere Gefilde – jedenfalls bemerkte sie die Anwesenheit der jungen Männer erst nach einer kleinen Weile.
Ilaria hing bereits an Federicos Hals, als gäbe es keinen schöneren Platz auf der ganzen Welt, während Carlo seine Braut eher prüfend beäugte.
»Du musst die Augen schließen!«, rief Stella. »Auf der Stelle! Ihr dürft die Brautkleider doch nicht vor dem Hochzeitstag sehen! Das bringt Unglück.«
»Wie herrlich altmodisch sie ist, meine süße Schwester«, sagte Ilaria lachend, ohne ihre Position auch nur im Geringsten zu verändern, und spätestens in diesem Moment erkannte Stella, dass alles ein abgekartetes Spiel war. »Wo ihr uns doch schon bald noch ganz anders zu sehen bekommen werdet!«
Federico lachte wie über einen köstlichen Scherz, während Carlo seine Lippen seltsam verzog. Was war heute los mit ihm? So launisch und mürrisch hatte Stella ihn schon seit Monaten nicht mehr erlebt.
»Mir reißt allmählich der Geduldsfaden«, raunte er in ihr Ohr, als ahnte er, was sie gerade gedacht hatte. »Stets dieses erfüllte Glück vor Augen, das sich um nichts und niemanden schert! Wieso besitzt du nicht auch
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