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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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– aber woher? Von ihren Zieheltern? Doch hätten diese sie jemals zu ihm geschickt? Und wie war sie überhaupt zu ihm gelangt, wo er doch selber nicht wusste, wo er sich befand?
    In seinem Kopf wirbelte alles bunt durcheinander.
    »Mein kleiner Silberschatz wird Euch helfen«, flüsterte Stella an seinem Ohr, als könnte sie direkt in seine Fieberträume blicken. »Den Beutel in Eurer Satteltasche müssen wir vorerst nicht anrühren. Ich habe sie trotzdem mitgebracht ebenso wie Eure treue Stute. Ich denke, beides könnt Ihr schon sehr bald gut gebrauchen.«
    »Fidelis?«, stammelte er.
    »Ja, Fidelis. Und ich«, bestätigte Stella, »Eure Zunge und Euer Ohr, wenn Ihr Euch freundlicherweise erinnert. Denkt bloß nicht, es sei einfach gewesen, Euch ausfindig zu machen! So gut wie jeden am Weg hab ich gefragt, ob er nicht vielleicht einem fremden Mönch begegnet sei. Ich
weiß nicht genau, wie Ihr es angestellt habt, padre, aber Ihr scheint offenbar die seltene Fähigkeit zu besitzen, Euch unsichtbar zu machen.«
    Abwehrend hob er die Hand.
    »Doch, doch!«, beharrte Stella. »Das lasse ich mir nicht nehmen. Aber irgendwann hab ich anscheinend Glück gehabt. Montefalco – das hat irgendetwas in mir zum Schwingen gebracht. Und plötzlich war auch Fidelis kaum noch zu halten gewesen.«
    »Wo bin ich?«, flüsterte Leo.
    »In einer Herberge«, sagte Stella. »Einer sehr einfachen Herberge, wenn Ihr meine Meinung hören wollt. Aber immerhin hat man Euch aufgelesen und hierhergebracht, als Ihr so elend im Straßengraben gelegen habt, das will ich diesen seltsamen Wirtsleuten zugutehalten. Und nun bin ich ja hier und werde zusehen, wie ich Eure Lage weiter verbessern kann. Ihr braucht vor allem Ruhe , padre. Und einen tüchtigen Bader, der Euch mit seiner Heilkunst hilft, wieder gesund zu werden.« Sie begann zu lächeln. »Wie geht es Eurem Kopf? Ihr habt da eine überaus stattliche Beule.«
    Er hörte sie nicht mehr, erneut versunken in diesem Sog von Glut und Farben, der ihn in andere Welten zog, in denen er immer tiefer versank.
    Irgendwann streifte ihn eine Stimme, die er bislang noch nicht vernommen hatte. »È quello il malato?« , fragte ein sonorer Bass.
    »Sì, sì« , versicherte Stella. »Padre Leo. Un tedesco.«
    Leo spürte, wie sein Bein entblößt und die Wunde inspiziert wurde. Dann begann der Fremde temperamentvoll loszureden, als wolle er niemals wieder aufhören.
    »Er sagt, dass die Wunde sich entzündet hat«, dolmetschte Stella. »Aber es könnte trotz allem schlimmer aussehen. Er wird sie jetzt mit einer speziellen Tinktur reinigen und
danach einen Pilzextrakt aufbringen, der die Heilung beschleunigen soll. Angeblich hat er ihn für pures Gold von Kreuzfahrern aus dem fernen Malta erstanden, aber ich bezweifle, ob es sich dabei nicht eher um eine Ausgeburt seiner überaus lebhaften Fantasie handelt.« Sie rückte näher an Leos Ohr. »Ein Halsabschneider und Halunke, was die Preise betrifft«, flüsterte sie. »Doch viele in Montefalco haben mir versichert, dass er seine Kunst versteht. Und ein wenig herunterhandeln kann ich ihn gewiss auch noch.«
    Es wurde kühl am Bein, dann begann es zu brennen wie niemals zuvor. Wider seinen Willen schossen Leo Tränen in die Augen, bis er Stellas Hand auf seiner Schulter spürte.
    »Es ist gleich vorüber«, murmelte sie. »Dann müsst Ihr nicht mehr so unglaublich tapfer sein, padre. «
    Sie hatte nicht gelogen. Das unerträgliche Brennen ließ nach, und Leo hatte das Gefühl, als würden die Wundränder sich leicht zusammenziehen.
    »Nun noch diesen Tee gegen das Fieber.« Stella reichte ihm einen Becher mit einer hellen Flüssigkeit, die gallenbitter schmeckte. »Ihr müsst ihn möglichst heiß trinken!«
    »Ich möchte aufstehen«, protestierte Leo. »So viel Zeit ist bereits verloren.«
    »Sobald Ihr wieder gesund seid.« Sanft, aber nachdrücklich drückte Stella ihn wieder auf das Lager. »Außerdem könnt Ihr alles schnell nachholen – jetzt, wo Ihr wieder Euer Pferd habt.«
    »Warum tut Ihr das alles?«, flüsterte Leo. »Und was werden Eure Eltern dazu sagen?«
    »Weil Ihr mich braucht. Meine Eltern? Ich habe keine Eltern mehr. Und nun schlaft! Umso schneller werdet Ihr die Krise überwunden haben.«

    Fünf Tage später fand sie Leo morgens aufrecht sitzend auf dem Lager vor. Der graubraun gesprenkelte Bartwuchs, der sein ganzes Gesicht bedeckte, ließ ihn älter und beinahe fremd aussehen. Als er sie erblickte, strahlten seine Augen so warm, dass

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