Brenda Joyce
atmen.
Sie musste phantasiert haben – der Earl war in Irland, im County
Clare, auf seinem Landsitz oder in Sussex, wo sein Vater lebte. Er konnte es
nicht gewesen sein.
Doch das Unbehagen blieb, und sie hatte das Gefühl, beobachtet zu
werden.
Bridget drehte sich um.
Zwei Männer beäugten sie. Der eine war klein und fett, der andere
war kahlköpfig und kaute Tabak. Er spuckte einen Pfriem aus und grinste sie an.
Es war ein lüsternes Grinsen.
Bridget war wie gelähmt vor
Angst.
Die beiden kamen auf sie zu.
Aus dem Augenwinkel sah sie den Jungen aus dem Haus kommen, in dem
sie beide wohnten. Erleichtert drehte sie sich um und lächelte ihn an.
Er blieb abrupt stehen, seine Wangen begannen zu glühen, und er
sah sie mit großen Augen an.
»Du heißt Joel, nicht wahr?«, sagte Bridget gerade, als es
schlagartig finster wurde.
Der Sack, der ihr über den Kopf gestülpt
wurde, roch nach faulen Kartoffeln. Panische Angst überkam sie. Hände packten
nach ihr. Sie bekam keine Lug. Jemand hob sie über die Schulter. Sie schlug
wild um sich, versuchte um Hilfe zu schreien, doch es kamen nur erstickte
Laute aus ihrer Kehle.
»Halt die Klappe, dann passiert dir auch nix«, knurrte der Mann,
der sie festhielt. »Sei ein braves Mädchen, sonst gibt's 'ne Abreibung,
kapiert?«
Lassen Sie mich los! Lassen Sie mich sofort los! Mama! versuchte
Bridget zu schreien, doch aus ihrem Mund drangen nur diese heiseren, panischen,
erstickten Laute. Sie zerrte an dem Sack, den man ihr über den Kopf gezogen
hatte.
»Lass sie los!«, schrie der Junge wütend.
»Hey! Aua! Verdammt! Halt mir das verflixte Kind vom Leib! Aua!
Der kleine Scheißer hat mich gebissen!«, brüllte der Mann.
»Lass Sie los, du Mistkerl!«, schrie der
Junge.
»Aaah!«, schrie der Mann erbost
und schmerzerfüllt. Bridget spürte, wie er sie losließ. Sie schlug unsanft auf
dem Pflaster auf, riss sich den Sack vom Kopf und blinzelte ins grelle
Sonnenlicht.
Joel lag am Boden und rang mit dem fetten Mann, dessen Knöchel
blutete. Bridget erkannte Bissspuren daran. Sie kauerte sich erschrocken
zusammen, denn der fette Mann hatte Joel an den Haaren gepackt, auf den Rücken
herumgerissen und versetzte ihm einen brutalen Schlag ins Gesicht, woraufhin
Joel sich nicht mehr rührte.
Ob er tot ist?, dachte Bridget entsetzt.
Dann packte jemand sie am Zopf und zerrte sie grob auf die Füße.
Sie blickte in ein braunes Augenpaar, das sie mit stählernem Blick musterte.
»Du kleine Hure«, knurrte der Mann, hob sie hoch und warf sie auf die
Ladefläche eines klapperigen Fuhrwerks.
Mit der Kraft der Verzweiflung rappelte sie sich auf und versuchte
von dem Karren zu springen.
Der Mann schlug ihr ins Gesicht, so dass sie stürzte und mit dem
Kopf gegen die Seitenstrebe schlug. Für einen Moment sah sie Sterne.
Ihre Handgelenke wurden gepackt und gefesselt, dann wurde Joel
neben sie geworfen. Er blieb bäuchlings liegen und rührte sich nicht.
Vielleicht war er tot. Bridget sah nur sein schrecklich blasses Gesicht, bevor
man ihr auch die Fußgelenke fesselte und sie auf den Rücken geworfen wurde. Ihr
Peiniger grinste auf sie herab. Sie starrte ihn nur stumm und verängstigt an.
Dann zog er ihr wieder den Sack über den Kopf. Das Fuhrwerk ruckte ein wenig,
als die beiden vorn aufstiegen, dann rollte es an.
Allein in der Dunkelheit, den toten Jungen neben sich, begann
Bridget um Hilfe zu beten.
Francesca betrachtete die ansehnliche Villa, in der
das Jewel untergebracht war. Sie fühlte sich ganz krank, so sehr sie
sich auch bemühte, nicht weiter über das Scheitern ihrer Beziehung zu Calder
Hart nachzudenken. Sie hatte schließlich einen Fall zu lösen, Kinder zu
retten. Dennoch verfolgte Calder sie in ihren Gedanken wie ein dunkler,
quälender Schatten. Die Trennung hatte ihr unglaublich wehgetan.
Dabei war sie gerade erst von seiner Villa zurückgekehrt. Nicht,
dass sie ihn hätte sehen wollen – sie hoffte, er möge ihr nie wieder unter die
Augen kommen. Francesca hatte Dot und Katie besuchen wollen. Aber die Kinder
waren auf Braggs Wunsch zum Krankenhaus gebracht worden, um Leigh Anne zu
sehen. Bragg selbst war, wie Francesca erfahren hatte, seiner Frau die ganze
Zeit über nicht von der Seite gewichen. Hart war ebenfalls nicht zu Hause
gewesen, sondern schon in aller Herrgottsfrühe ins Büro gefahren. Francesca
empfand beinahe so etwas wie Hass auf ihn.
Sie atmete noch einmal tief durch, dann stieg sie die drei breiten
Stufen zum Eingang des eleganten
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