Brenda Joyce
kannte auch den
Grund dafür: Bragg war an diesem Abend nicht zur Stelle gewesen, um die Frau
seiner Träume zu beschützen. Er musste außer sich sein.
Aber viel schlimmer hatte ihn wohl getroffen, dass Hart dort
gewesen war, um sie zu retten. Hart unterdrückte ein Lächeln. Eigentlich hatte Francesca ja gar nicht gerettet werden
müssen. Im Nachhinein war es leicht, sich darüber zu amüsieren. Vor einigen
Stunden, als er all das Blut gesehen hatte – ihr Blut –, war es ihm ganz anders
ergangen.
Bragg nickte Alfred zu. »Ich benötige nichts,
danke.«
»Sehr wohl, meine Herren, dann wünsche ich eine gute Nacht.«
Alfred neigte den Kopf und ging.
»Komm doch herein«, forderte Hart seinen Halbbruder auf. »Dein
süffisantes Lächeln kannst du dir sparen«, gab Bragg in gleichmütigem Ton
zurück. »Andererseits – du bist wohl tatsächlich ein Mann, der sich noch
amüsieren kann, wenn seine Verlobte einem Mörder in die Hände fällt.«
Nun war es an Hart, wütend zu werden. »Das
Einzige, was mich amüsiert, ist die Tatsache, dass du dabei so außen vor bist,
Rick. Und wage es ja nicht, mir zu unterstellen, wie ich über Francesca denke.«
»Das sind keine Unterstellungen, ich weiß, wovon ich rede«,
versetzte Bragg.
»Du glaubst es zu wissen – in Wirklichkeit
hast du doch keine Ahnung«, gab Hart zurück. Dann machte er kehrt und schritt
voran durch sein riesiges Haus, vorbei an Gemälden und Skulpturen von
unschätzbarem Wert, von denen einige so provokativ waren, dass seine
Gäste an der öffentlichen Zurschaustellung Anstoß nahmen. Die Tür zur Bibliothek
stand offen, und Hart ging zu der Bar mit der Theke aus Granit hinüber, um sich
seinen Lieblingsscotch einzuschenken. »Ich bin überrascht, dass es mir gelungen
ist, dich aus dem Bett zu locken«, bemerkte er kühl und trat in die Mitte des
Raumes.
»Ich vermute eine Spitze, kann mir aber nicht denken, worauf sie
abzielt.«
Hart lächelte. »Muss deine verführerische kleine Frau etwa heute
Nacht allein bleiben? Ich muss sagen, ich finde deine Disziplin wirklich
bewundernswert, Rick.«
Bragg war mit wenigen Schritten bei seinem
Halbbruder und schlug ihm das Glas aus der Hand. Es fiel auf einen alten,
ausgeblichenen Perserteppich und zerbrach in kleine Scherben – ein Beweis dafür,
dass es sich um hochwertiges Kristall handelte. »Du bist der Letzte, der über
Disziplin reden sollte, wenn es um Frauen geht«, sagte er.
Hart hätte ihm um ein Haar die Wahrheit gesagt – dass er durchaus
zu Disziplin fähig war, wenn es die Umstände erforderten, und dass er
Francesca während des ganzen Monats ihrer heimlichen Verlobung treu gewesen
war –, doch er hielt sich zurück. Das ging seinen Bruder nichts an. »Wozu sich
selbst kasteien?« Er zuckte mit den Schultern. »Wir sind nun einmal Männer – die Gesellschaft macht viel zu
viel Wirbel um etwas, bei dem es sich lediglich um primitive und elementare
körperliche Bedürfnisse handelt.«
»Es ist
mir ein Rätsel, wie es dir gelungen ist, Francesca für dich einzunehmen«, sagte
Bragg mit scharfer Stimme. »Ist es ihr etwa egal, dass du Daisy aushältst?
Schert sie sich nicht darum, dass du die Gesellschaft von Mrs Davies genossen
hast, während sie weg war? Hat sie dein Alibi für die Nacht vergessen, in der
Randall ermordet wurde? Zieht sie es vor, sich nicht mehr daran zu erinnern,
dass du gleich mit zwei Frauen das Bett geteilt hast?«
Hart zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist sie ja gerade
fasziniert von meiner dunklen Seite«, versetzte er mit Samtstimme. »Vielleicht
kennst du Francesca doch nicht so gut, wie du glaubst.«
Braggs Gesichtsausdruck verdüsterte sich
derart, dass Hart einen Moment lang damit rechnete, er werde ihn schlagen, und
er ballte bereits voller Genugtuung die Faust zum Gegenschlag. Doch Bragg war
nun einmal ein verdammt disziplinierter Mensch, wie er sehr wohl wusste, und
so blieb er einfach nur stehen, auch wenn er offensichtlich mit sich rang und
sich am liebsten auf seinen Halbbruder gestürzt hätte. »Bravo«, sagte Hart
leise, wandte sich ab und goss sich in aller Seelenruhe einen weiteren Scotch
ein. »Bist du sicher, dass du keinen möchtest?«
»Welch eine Freude es dir gestern Abend bereitet haben muss, deine
Verlobung zu verkünden und alle Anwesenden damit zu schockieren – mich
eingeschlossen.«
Hart drehte sich zu ihm um und hob sein Glas.
»An diesen Anlass werde ich sicherlich immer gern zurückdenken«, bestätigte
er
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