Brenda Joyce
unterhalten, was zwischen ihnen geschehen war. Was
wäre, wenn er sich nicht erklären würde? Wenn er behaupten würde, dass das
alles ein Fehler gewesen sei? Francesca seufzte und wandte sich wieder
MacDougal zu.
»Wir sollten ihn besser nicht stören«, sagte sie. Während sie ihre
Kleidungsstücke von einem anderen Dienstboten in Empfang nahm, dachte sie
daran, was ihr als Nächstes bevorstand, und plötzlich stieg Angst in ihr auf.
War das, was sie vorhatte, wirklich notwendig?
Es gab nur eine mögliche Antwort.
Als sie im
Haus ihrer Schwester eintraf, erfuhr sie, dass Connie eine Verabredung zum
Mittagessen hatte. Weitere Nachfragen ergaben, dass Montrose mit seinem
Sekretär in der Bibliothek weilte. Genau das hatte sich Francesca erhofft.
Da sie regelmäßig im Haus ihrer Schwester
weilte, ließ man sie allein zur Bibliothek gehen. Mit
zunehmender Beklommenheit näherte sich Francesca der Tür. Sie stand offen, und
als Francesca in den Raum spähte, sah sie Montrose, der in einem eleganten
Nadelstreifenanzug mit einer Gesäßhälfte auf der Schreibtischkante saß und
seinem Sekretär einen Text diktierte. Als Montrose seine Schwägerin entdeckte,
verstummte er mitten im Satz.
Francesca brachte kein Lächeln zustande. Sie zitterte am ganzen
Leib. Ob sie das hier durchstehen würde? Es muss sein, beschwor sie sich
selbst.
Montrose erhob sich. »Francesca! Was für eine angenehme
Überraschung! Ich fürchte, du hast Connie verpasst.« Er lächelte, aber es war
ein finsteres Lächeln. Oder bildete sie sich das nur ein?
Francesca machte keine Anstalten, die Bibliothek zu betreten. Sie
fühlte sich unbehaglich.
»Guten Tag«, sagte sie. Dann nahm sie einen tiefen Atemzug und
fuhr fort: »Eigentlich hatte ich gehofft, mit dir reden zu können.«
Montrose lächelte weiter, während er sie interessiert
musterte. Francesca wurde schlagartig bewusst, dass sie die Unordnung an
ihrer Kleidung, die durch Braggs leidenschaftliche Umarmung entstanden war,
noch nicht wirklich behoben hatte.
»Sehr wohl. James, würden Sie uns bitte entschuldigen?«
Der Sekretär verließ die Bibliothek, und Francesca trat ein.
Montrose bedeutete ihr, auf einem Stuhl Platz zu nehmen, doch sie folgte seiner
Aufforderung nicht und blieb stehen. Er machte keine Anstalten, die Tür zu
schließen, die James weit offen gelassen hatte. Francesca verschränkte die Arme
fest vor der Brust, in dem Versuch, dadurch
das wilde Pochen ihres Herzens zu besänftigen. Schweißperlen standen ihr auf
der Stirn, und die Tatsache, dass sie schon immer eine Schwäche für Montrose
gehabt hatte, half ihr nicht gerade dabei, sich zu beruhigen. Wie in Gottes
Namen sollte sie nur beginnen? Sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.
»Bedrückt dich etwas, Francesca?«, fragte ihr
Schwager mit gerunzelter Stirn. »Du siehst äußerst blass und mitgenommen aus,
wenn du mir die Bemerkung erlaubst.«
»Es geht mir gut – so gut es mir angesichts der Umstände eben
gehen kann«, erwiderte sie mit rauer Stimme.
Er trat auf sie zu, und plötzlich fiel
Francesca das Atmen schwer. Sie wurde sich bewusst, dass ihr Schwager jetzt
dicht vor ihr stand, jener große, ausgesprochen gut aussehende Mann, der sie
stets zum Zittern brachte, wo es sich doch eigentlich gar nicht geziemte. Ein
Mann, der ein wundervoller Vater war – aber im Gegensatz zur vorherrschenden
Meinung kein wundervoller Ehemann.
»Hat dich jemand ... verletzt?«, fragte er
vorsichtig.
Francesca war klar, dass er sich auf die falsche Annahme bezog,
dass sie einen Verehrer habe.
»Nein ... Nein«, sagte sie und fuhr dann zögernd fort: »Es hat
eine fünfte Nachricht gegeben, Neil.«
Einen Moment lang blickte er sie nur an, ohne
zu begreifen, was sie meinte. Dann weiteten sich seine Augen. »Du meinst, im
Zusammenhang mit dem Burton-Jungen?«, fragte er.
Sie nickte. Noch immer pochte ihr Herz wie
wild.
»E steht für die Ewigkeit«, flüsterte sie.
Seine Augen wurden noch größer, und dann
wandte er sich abrupt ab und begann in der Bibliothek auf
und ab zu laufen. Als er sich Francesca wieder zuwandte, stand ihm der Kummer
ins Gesicht geschrieben.
»Großer Gott, ich hoffe nur, dass der Junge noch am Leben ist!«,
sagte er.
»Das hoffen wir alle«, erwiderte Francesca.
Sie fand es unmöglich zu entscheiden, ob
Montrose schuldig war oder nicht. Er benahm sich so, wie sie es von jenem
Mann, den sie seit vier Jahren kannte, erwartet hätte. Doch dann fiel ihr ein,
dass er gar nicht der
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