Brenda Joyce
sie ohne eine Miene zu verziehen
zum Badezimmer. Dort stellte Francesca fest, dass sie einen noch viel
schlimmeren Anblick bot, als sie vermutet hatte.
Mit großen Augen starrte sie ihr Spiegelbild
an. Sie sah aus wie eine Hure aus der Bowery. Ihr Haar war eine wilde,
zerzauste Mähne, ihr Mund vom Küssen geschwollen und ihre Wangen gerötet. Mein
Ruf ist wahrscheinlich ruiniert, dachte sie,
als sie sich daran erinnerte, mit welchen Blicken die beiden Kriminalbeamten
sie gemustert hatten. Doch dann schob sie den Gedanken wieder beiseite – er war
nur eine Sorge mehr auf der ohnehin ständig wachsenden Liste.
Sie fragte sich, was Bragg ihr wohl sagen
würde, wenn sie die Gelegenheit hatten, sich unter vier Augen zu unterhalten.
Sie lächelte. Ob er ihr seine Gefühle für sie offenbaren würde? Bei dem
Gedanken daran begann ihr Herz erneut schneller zu schlagen.
Während sie ihre Frisur herrichtete, grübelte
sie über die neue Nachricht nach, die Eliza unter ihrem Kissen gefunden hatte.
Das Ziel des Entführers war offensichtlich, sie in den Wahnsinn zu treiben – er
wollte gar nicht Bragg oder Burton treffen. Irgendjemand wollte Eliza fertig
machen.
Francesca stützte sich auf den Frisiertisch
und starrte ihr Spiegelbild an. Dieser Verrückte wurde offenbar immer dreister.
Er war sich seiner so sicher, dass er es sogar wagte, in Elizas Schlafzimmer zu
spazieren und die Nachricht unter ihrem Kissen zu verstecken.
Francesca fragte sich, ob Burton nicht vielleicht doch über die
Zwillinge Bescheid wusste und seine Frau deswegen so sehr hasste, dass er einen
unschuldigen kleinen Jungen benutzte, um sie seelisch und körperlich zugrunde
zu richten. Andererseits hatte Montrose vermutlich ebenfalls Zutritt zu diesem
Schlafzimmer ...
Francesca
hatte von Anfang an befürchtet, dass sie zu diesem Schluss kommen würde. Sie
begann unwillkürlich zu zittern und musste für einen Moment die Augen
schließen. Laut Bragg beharrte Eliza darauf, dass Burton die Wahrheit über
die Zwillinge nicht kannte, sondern vielmehr glaubte, ihr Vater zu sein. Er
liebe sie aufrichtig.
Auch ein Dienstbote hätte die Nachricht unter
das Kissen legen können, dachte Francesca. Ein Dienstbote, der seine Herrin
hasste oder der für Gordino arbeitete. Auf der anderen Seite glaubte Francesca
nach wie vor, dass Gordino nicht klug genug war, um eine solche Geschichte
auszuhecken.
Dann kehrten ihre Gedanken zu Montrose
zurück. Seine erste Frau war unter zweifelhaften Umständen ums Leben gekommen,
nachdem er ihr Geld dazu benutzt hatte, einen Großteil seiner Schulden
zurückzuzahlen. Aber es war doch ein Unfall gewesen! Oder etwa nicht?
In diesem Augenblick ertönte ein Klopfen an
der Tür.
»Einen Moment noch, bitte!«, rief Francesca,
plötzlich zutiefst erschüttert. Rasch entwirrte sie ihr Haar ein wenig und
steckte es zu einem Knoten auf. Glücklicherweise hatte sie immer einige
Haarnadeln in ihrer Geldbörse. Die Frisur sah zwar nicht besonders ordentlich
aus, aber es war besser als nichts.
Sie trat aus dem Bad und folgte Peter zu
Bragg, der bereits mit den beiden Kriminalbeamten in einem Polizei-Fuhrwerk auf
sie wartete. Francesca kletterte hinein, setzte sich neben ihn, und sie fuhren
los.
»Ihre Anwesenheit könnte nützlich sein,
Francesca«, sagte Bragg. »Es wäre schön, wenn Sie mit zu den Burtons kämen. Ich
glaube, die Unterstützung einer anderen Frau würde Eliza jetzt gut tun.«
Francesca wurde das Herz schwer. Sie hatte
eigentlich jemand anderem einen Besuch abstatten wollen, aber das würde
warten müssen. Sie nickte. War es verrückt, Montrose aufzusuchen?
»Bragg! Das wurde aber auch langsam Zeit!«, rief Burton wütend, als
Bragg, Francesca und die beiden Kriminalbeamten das Haus betraten.
Francesca starrte Elizas Mann an. Er sah
furchtbar mitgenommen aus, was nicht nur an seiner zerknitterten Kleidung,
den aufgerollten Hemdsärmeln und der Krawatte lag, die er nachlässig um den
Hals gelegt und nicht geknotet hatte. Burton schien zudem eine schlaflose Nacht
hinter sich zu haben. Er war hohlwangig, unrasiert und unglaublich blass.
»Ich habe es eben erst erfahren, Burton, und bin so schnell
gekommen wie es ging«, sagte Bragg mit ruhiger Stimme. »Ich möchte unter vier
Augen mit Ihnen sprechen.«
»Unter vier Augen! Warum zum Teufel?«, rief Burton. »Da draußen
läuft ein Verrückter frei herum, der meinen Sohn in seiner Gewalt hat! Warum
tun Sie nichts, um Jonny zu finden? Das ist doch Ihre Aufgabe, oder
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