Brenda Joyce
Montrose war, den sie seit vier Jahren kannte –
unabhängig davon, ob er nun für Jonny Burtons Entführung verantwortlich war
oder nicht. Er war ein Lügner, ein Ehebrecher, ein Betrüger. Und was war mit
seiner ersten Frau? Die Umstände ihres Todes waren immerhin so verdächtig
gewesen, dass sie eine Untersuchung gerechtfertigt hatten. Davon wusste keiner
der Cahills etwas, da war sich Francesca sicher.
»Die Polizei hat eine Liste von Verdächtigen.
Sie wird jeden Tag kürzer. Offensichtlich ist irgendjemand darauf aus, Robert
Burton zu vernichten.« Francesca war selbst überrascht, wie ruhig und gefasst
ihre Stimme klang.
»Jeder Mensch hat Feinde, nehme ich an. Aber ein unschuldiges
Kind für seine Zwecke zu benutzen, das ist unverzeihlich«, sagte Montrose mit
harter Stimme.
»Ja, da hast du Recht.«
Francesca spürte, dass die Unterhaltung sie
keinen Deut weiterbrachte. Also nahm sie all ihren Mut zusammen, tat einen
tiefen Atemzug und sagte: »Ich habe dich mit Eliza gesehen.«
Montrose, der mit dem Briefbeschwerer auf seinem Schreibtisch
gespielt hatte, erstarrte mitten in der Bewegung. Dann blickte er ganz langsam
auf.
»Ich habe mich schon gefragt, wann du mich damit konfrontieren
würdest«, sagte er schließlich.
Sie starrten einander an. Er hatte es nicht
geleugnet. Aber wie sollte er auch? Offenbar hatte er Francesca in Elizas Haus
erkannt, sodass ihm klar war, dass sie von seiner Affäre wusste. Francesca
wagte kaum zu atmen. E steht für die Ewigkeit, schoss ihr durch den Kopf. Seine
Frau ist unter verdächtigen Umständen ums Leben gekommen ...
Francesca gab sich alle Mühe, nicht
zusammenzuzucken, als er an ihr vorbei zur Tür schritt, um sie zu schließen.
Dann kehrte er an seinen Schreibtisch zurück, nahm auf dem Stuhl Platz und
blickte seine Schwägerin an.
»Wie konntest du nur?«, fragte Francesca mit
heiserer Stimme.
Sein Lächeln war dünn, sein Tonfall scharf. »Du würdest es nicht
verstehen. Du bist noch ein halbes Kind.«
»Ich bin
kein Kind mehr«, brachte sie heraus.
Er antwortete nicht, sondern verschränkte mit finsterer Miene die
Hände vor dem Körper.
»Liebst du
sie?«, rief Francesca. Tränen stiegen ihr in die Augen und ließen sie alles nur
noch verschwommen sehen.
Montrose
blickte sie erschrocken an, und in diesem Augenblick bemerkte Francesca die
Ironie, die ihre Frage barg. Welche »sie« war gemeint?
»Liebst du Eliza Burton?«,
fragte sie schroff. Sie wollte auf keinen Fall vor ihrem Schwager in Tränen
ausbrechen.
»Nein. Nicht auf die Weise, die
du meinst«, erwiderte er.
»Nein? Wie konntest du dann nur?«, rief Francesca wieder.
Er blickte sie lange Zeit an. »Wie ich schon sagte, du würdest es
nicht verstehen, Francesca.«
»Liebst du
denn meine Schwester?«, hörte sie sich flüstern.
Er zögerte
einen Augenblick lang und stand dann auf. »Ich werde mich weder vor dir noch
vor sonst jemandem rechtfertigen.«
Francesca wurde das Herz schwer. Montrose weigerte sich, ihr zu
antworten – also liebte er Connie nicht.
»Ich glaube, dass du dich eines Tages vor dir
selbst wirst rechtfertigen müssen, gewiss aber vor meiner Schwester und
vielleicht sogar vor deinen Töchtern«, sagte sie, wobei sie sich bewusst war,
wie laut und wütend ihre Stimme klang. Erneut stiegen ihr die Tränen in die
Augen. »Wie konntest du deiner Familie nur so etwas antun?«
»Ich bin nicht der erste Mann, der einen
solchen Fehler begeht«, sagte er ausdruckslos. »Was willst du von mir,
Francesca? Eine Entschuldigung? Oder eine Erklärung? Du wirst weder das eine
noch das andere bekommen.« Seine blauen Augen funkelten vor Wut.
»Ich möchte von dir hören, dass es dir Leid
tut, dass du ein Narr gewesen bist und dass du meine Schwester liebst – dass du
sie schon immer geliebt hast und immer lieben wirst!«, schrie sie, und nun
liefen ihr doch die Tränen über die Wangen. »Ich möchte, dass du mir sagst,
dass es vorbei ist und dass so etwas nie wieder passieren wird!«
Mit einem Satz kam er um den Schreibtisch
herum und ergriff unsanft ihren Arm. »Senke deine Stimme, Francesca! Das
Einzige, was mir Leid tut, ist, dass du etwas gesehen hast, was du nicht
hättest sehen sollen – das zu sehen du überhaupt kein Recht hattest!«
Seine Augen blitzten, und die Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. »Eines Tages
wird dich dieses Herumspionieren einmal in schreckliche Schwierigkeiten
bringen, Francesca.«
Sie keuchte
auf und entwand sich seinem Griff.
»Soll das
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