Brenda Joyce
angriffslustigen
Eindruck.
Als die
beiden Frauen die Eingangstreppe hinunterschritten, wurde hinter ihnen die Tür
erneut geöffnet, und Bragg kam die Stufen hinuntergeeilt.
»Entschuldigen Sie uns einen
Augenblick, Lady Montrose«, sagte er mit einem höflichen Lächeln zu Connie und
zog Francesca beiseite.
»Was ist
denn?«, fragte sie erschrocken.
»Ich habe vergessen, Ihnen
etwas zu sagen«, flüsterte er. »Ich möchte, dass Sie vorsichtig sind, auch wenn
ich nicht glaube, dass Sie sich in Gefahr befinden.«
»Was ist denn passiert?«
Francesca bereitete sich unwillkürlich auf schlechte Nachrichten vor.
»Gordino ist heute Morgen aus
dem Stadtgefängnis ausgebrochen.«
Kapitel 17
DONNERSTAG, 23. JANUAR 1902 – 17 UHR
»Ehrlich
gesagt wollte ich dich etwas fragen«, sagte Francesca, als sie mit Connie ihr
Elternhaus betrat. Sie versuchte verzweifelt, eine Entschuldigung dafür zu
erfinden, dass sie ihre Schwester von ihrem Mann fortgezerrt hatte.
Connies Augenbrauen wanderten in die Höhe,
und sie warf ihrer Schwester einen strengen Blick zu. »Francesca, irgendetwas
hier geht doch vor sich! Du benimmst dich äußerst eigenartig, und ich werde das
Gefühl nicht los, dass du versuchst, etwas vor mir zu verbergen.«
Francesca wich dem Blick ihrer Schwester aus.
»Jetzt bist du aber diejenige mit der zu lebhaften Fantasie, Con«, erwiderte
sie, während sie ihre Mäntel auszogen. Insgeheim fragte sie sich, was wohl in
dem Moment im Nachbarhaus vor sich gehen mochte. Ob Bragg Neil befragte? Ob er
ihn zu einem Verhör mit ins Polizeipräsidium nehmen würde? Gewiss würden dort
schon wieder Kurland und die anderen Presseleute lauern. Francesca sah schon
die Schlagzeilen des nächsten Morgens vor sich, etwas in der Art von Lord
Montrose der Entführung von Jonny Burton verdächtigt. Sie hoffte inständig,
dass Bragg nicht so weit gehen und Montrose zwingen würde, mit ins Präsidium
zu kommen. Eine Befragung war doch sicherlich auch bei den Burtons möglich.
»Und? Was ist los?«, fragte Connie in diesem Moment. »Hast du
vielleicht auch bemerkt, dass zwischen Neil und dem Commissioner etwas vor sich
geht?«
Francesca zuckte zusammen, doch eine Antwort blieb ihr
glücklicherweise erspart, da in diesem Augenblick Julia in einer hellblauen
Jacke mit dazu passendem Rock in die Eingangshalle geschwebt kam.
»Hallo, Kinder«, sagte sie lächelnd. »Was habt ihr beiden denn
vor?«
»Wir kommen gerade von einem Besuch bei den Burtons, Mama«,
erwiderte Connie.
Julias Gesicht nahm einen bestürzten Ausdruck an. »Eliza tut mir
ja so schrecklich Leid!«, seufzte sie. »Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?«
Francesca und Connie tauschten einen Blick aus. »Eigentlich
nicht«, antwortete Francesca.
Julia seufzte. Dann sagte sie: »Ich bin
selbst gerade erst nach Hause gekommen. Ich werde mich vor dem Abendessen noch
etwas hinlegen. Wir gehen heute Abend in die Oper.«
Die Schwestern warteten, bis ihre Mutter
gegangen war, und betraten dann zusammen den Salon. Plötzlich hatte Francesca
eine großartige Idee.
»Con, ich habe vor, mit Papa über Evans Verlobung mit Sarah
Channing zu reden. Würdest du mich begleiten, um mich zu unterstützen?«
Connie blinzelte. »Fran, wenn du mich damit fragst, ob ich
erklären werde, dass ich gegen diese Verbindung bin, so lautet meine Antwort unmissverständlich
nein.«
»Aber wie
kannst du nur für diese Verlobung sein?«
»Ich weiß
nicht, ob ich unbedingt dafür bin, aber meiner Ansicht nach geht das
nur Evan und Papa etwas an, wir haben uns da nicht einzumischen.«
»Wie kannst du nur so etwas sagen?«, fragte
Francesca wütend und schüttelte den Kopf. Sie sah plötzlich Montrose und Eliza
vor sich, wie sie sich auf dem Sofa in dem chinesischen Salon leidenschaftlich
umarmten. Vielleicht wusste Connie sehr wohl Bescheid und gab nur vor, keine
Ahnung zu haben. Aber wie konnte eine Frau nur so tun, als wisse sie nicht,
dass ihr Mann fremdging?
»Er ist unser Bruder«, fuhr sie fort. »Wir sollten uns sehr wohl
einmischen, das heißt, unsere Meinung zu dieser Verlobung sagen.«
»Ich liebe Evan ebenso sehr wie du, aber ich bin anderer Ansicht.
Schließlich hat Papa für gewöhnlich Recht. Außerdem ist Evan nun einmal
ziemlich ruhelos, und womöglich ist eine Frau wie Sarah Channing das Beste, was
ihm passieren kann«, erklärte Connie mit fester Stimme.
»Oder das Schlimmste«, gab Francesca zurück.
»Hast du dir jemals ernsthaft Gedanken darüber gemacht? Wenn
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