Brenda Joyce
Montrose, Montrose und Eliza, Eliza und Burton. Evan
und Sarah, ihre Schwester und Montrose, der grimmige Gesichtsausdruck ihres
Vaters. Und dann das Gesicht des kleinen Jonny Burton. Sie sah ihn nicht mehr
als einen lächelnden Lausbuben mit funkelnden braunen Augen und Sommersprossen
auf der Nase vor sich. Wenn sie jetzt an ihn dachte, sah er blass und
verängstigt und abgehärmt aus.
Wieder ging ihr durch den Kopf, ob es wohl
Eliza war, die ihrem Mann einen schrecklichen Streich spielte. Dann wäre der
Junge zumindest irgendwo in Sicherheit und am Leben. Francesca fragte sich, ob
man eine Mutter für die Entführung des eigenen Sohnes strafrechtlich belangen
konnte.
Doch sie wusste, dass dieser Verdacht zu weit
hergeholt war. Ganz gleich, wie sehr Eliza Burton auch verachten mochte, sie
war weder verrückt noch grausam.
In Gedanken ging Francesca die Liste der
Verdächtigen durch. Nur einer von ihnen war in ihren Augen brutal und
sadistisch genug, dass er zu einem solchen Verbrechen fähig wäre,
und das war Gordino, der Bragg hasste und heute Morgen aus dem Gefängnis
geflohen war.
Francesca stand auf, trat ans Fenster und
starrte auf das Haus der Burtons. Es war Gordino. Natürlich war es Gordino!
Wie konnte sie nur einen Zweifel daran hegen?
Sie ging zu ihrem Schrank, holte das
Opernglas hervor und kehrte zum Fenster zurück. Die Fenster im Erdgeschoss des
Nachbarhauses waren hell erleuchtet. Francesca richtete das Opernglas
nacheinander auf jedes einzelne Fenster, konnte aber keine Menschen im Haus
entdecken. Dann blickte sie in die Zimmer des ersten Stocks, von denen sie
inzwischen wusste, dass es Elizas waren. Wäre es ihr doch nur gelungen, ein
paar Worte auf der alten Schreibmaschine im Nachbarhaus zu tippen! Das hätte
die Ermittlungen gewiss weitergebracht.
Das Wohnzimmer war leer und unbeleuchtet.
Doch als Francesca das Opernglas auf Elizas Schlafzimmer richtete, schnappte
sie unwillkürlich nach Luft. In der Mitte des Raumes standen Eliza und Burton,
die sich ganz offensichtlich heftig stritten. Burton gestikulierte wild, doch
Eliza rührte sich nicht, ihr Körper schien wie erstarrt.
So viel zu dieser scheinbar perfekten Ehe,
dachte Francesca grimmig. Sie wollte gerade das Glas von den Augen nehmen, als
sie sah, wie sich Eliza abrupt von ihrem Mann abwandte. Burton griff nach
ihrem Arm und schleuderte sie zu sich herum. Sie versuchte, ihn abzuschütteln.
Francesca war sich bewusst, dass sie die
beiden nicht länger beobachten sollte – diese körperliche Auseinandersetzung
war gewiss nicht für ihre Augen bestimmt. Doch sie vermochte sich nicht zu
rühren. Wie angewurzelt blieb sie stehen und starrte durch das Opernglas
in das fremde Schlafzimmer. Nach einer Weile gelang es Eliza, sich aus Burtons
Griff zu befreien, und sie sagte etwas zu ihm.
Im selben Moment schoss seine Hand vor, und dieses Mal schlug er
ihr ins Gesicht.
Francesca schrie unwillkürlich auf, als sie
sah, dass Eliza von der Wucht des Schlages zur Seite stolperte und stürzte.
Burton zerrte sie sofort wieder hoch, doch sie versuchte wie von Sinnen, sich
aus seinem Griff zu befreien. Francesca traute ihren Augen kaum. Burton riss
den Kopf seiner Frau an den Haaren zurück. Jetzt rührte sie sich nicht mehr.
Burton sagte etwas, hob Eliza hoch, trat zum
Bett und warf sie darauf. Eliza versuchte auf der anderen Seite hinunterzuklettern,
doch Burton erwischte ihren Arm, zog sie zur Matratzenmitte zurück, setzte sich
rittlings auf sie und hielt ihr mit der Hand den Mund zu. Dann beugte er sich
über sie und riss ihr das Oberteil ihres Kleides auf.
Francesca konnte die furchtbare Szene nicht
länger ertragen. Sie warf das Opernglas auf ihr Bett und starrte blind vor
Entsetzen aus dem Fenster und auf den verschwommenen Umriss des Nachbarhauses.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie begann zu zittern. Was sollte sie nur
tun? Wie konnte sie das, was dort drüben in Elizas Schlafzimmer geschah,
verhindern? Burton war regelrecht über Eliza hergefallen, und wenn sich
Francesca nicht täuschte, so tat er seiner Frau in diesem Moment Gewalt an.
Ob sie hinüberlaufen und vorgeben sollte, einen der beiden
sprechen zu wollen? Natürlich würde man sie abweisen. Francesca wurde mit
schrecklicher Klarheit bewusst, dass sie nichts tun konnte, um Burton Einhalt
zu gebieten.
Eliza
hasst Burton aus tiefstem Herzen.
O Gott! Francesca lief in ihrem
Zimmer auf und ab, wusste nicht, was sie tun, wohin sie gehen, was sie denken
sollte. Eliza
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