Brenda Joyce
der
Wahrheit verschlossen hast. Schließlich wissen wir seit zehn Jahren von Calder
Hart.«
»Aber das war doch, bevor er Mama kennen gelernt hat! Er hat es
mir ganz genau erklärt, und ich konnte das verstehen. Andererseits« – sie
verstummte für einen Moment – »war ich ja auch erst acht Jahre alt, als ich von
diesem Bastard erfahren habe. Papa hätte mir erklären können, dass er vom Mond
zu uns gekommen ist, und ich hätte ihm geglaubt.« Ihre Stimme klang tränenerstickt.
»Aber du hättest mir von dieser Hure erzählen müssen! Ich bin immer die Letzte,
die in diesem Haus etwas erfährt. «
»Arme Mary.«
Sie schwiegen. Plötzlich beschlich Francesca
ein unbehagliches Gefühl. Waren das etwa Schritte, die sie da hörte? Sie
spürte, wie sie zitterte. Kein Zweifel, da kam jemand die Treppe herunter!
Leider gab es in dem Flur keine Möglichkeit,
sich zu verstecken. Ob es Henrietta war, die dort herunterkam, oder ein
Dienstbote? Der Flur war nur schwach beleuchtet, aber falls derjenige in den
Salon gehen wollte, saß Francesca wie eine Maus in der Falle. Bei diesem
Gedanken brach ihr am ganzen Körper der Schweiß aus.
»Ich werde Miss de Labouche vor Gericht
bringen. Ich habe vor, ihr das Haus aus ihren Fängen zu reißen«, hörte sie Bill
mit einem Mal sagen. »Wie konnte Vater es nur ihr hinterlassen!«
Francesca wagte kaum noch zu atmen. Die Person war im Erdgeschoss
angelangt, und Francesca sah, dass sie sich auf die Haustür zubewegte. Einen
Augenblick später öffnete sie eine Seitentür und verschwand in ein anderes
Zimmer.
Francesca wollte gerade erleichtert seufzen, als sie hörte, wie
Mary mit gehässigem Tonfall sagte: »Gut! Und in der Zwischenzeit werden sie
Hart aufknüpfen.« Sie lachte, aber ihr Lachen verwandelte sich rasch in ein
Schluchzen. »Er hat kein Alibi, und er gibt auch noch ganz freimütig zu, dass
er Vater gehasst hat. Gott, wenn er ihn doch nur wirklich umgebracht hätte!«
Sie begann zu weinen.
Francesca fuhr zusammen. Was war das eben
gewesen? Offenbar wussten die Randalls, dass Hart unschuldig war – was bedeutete, dass sie die Identität des wirklichen
Mörders kannten.
»Mary! Das reicht. Ich werde zu Bett gehen«,
sagte Bill unvermittelt.
Francesca wurde klar, dass sie entweder
umgehend das Haus verlassen oder aber das tun musste, was sie ursprünglich vorgehabt
hatte, nämlich, Henrietta zu befragen. Doch ihr blieb keine Zeit zum
Nachdenken. Sie schlich langsam an der Wand entlang vom Salon fort, wobei sie
schreckliche Angst hatte, ein Geräusch zu verursachen und ertappt zu werden.
Als sie die Treppe erreicht hatte, hämmerte
ihr Herz, und sie spürte, dass sich zwischen ihren Brüsten Schweißperlen sammelten.
Sie wagte kaum, richtig Luft zu holen, als sie rasch die Stufen hinaufeilte.
Im ersten Stock brannte nur ein einziges
Licht, doch die Tür zu Henriettas Zimmer stand weit auf, und Francesca konnte
sehen, dass die Witwe mit einem Füllhalter in der Hand an ihrem Schreibtisch
saß und einen Brief schrieb. Während Francesca sie heimlich beobachtete,
stellte sie fest, dass Henrietta absolut harmlos wirkte. Mollig, gut
gekleidet, mit einem zurückhaltenden Wesen. Sie kam ihr gar nicht wie eine Mörderin
vor.
Francesca betrat das Zimmer.
»Mary?« Henrietta drehte sich um und riss vor Schreck die Augen
auf, als sie Francesca sah.
Francesca schloss die Tür hinter sich. »Es
tut mir Leid, dass ich Sie belästige, Mrs Randall, aber ich muss unbedingt mit
Ihnen sprechen.«
Es dauerte einen Moment, ehe Henrietta ihre
Stimme wiederfand. »Wie sind Sie hier heraufgekommen? Wer hat Sie hereingelassen?«
Sie stand nicht auf.
»Ich möchte mich für mein Eindringen
entschuldigen«, erwiderte Francesca und betrachtete die Frau forschend. Ihre
Augen waren nicht verweint, und sie kam Francesca auch sonst nicht gramgebeugt
vor. »Ihr Sohn hat heute eine wunderbare Lobrede auf Ihren Mann gehalten.«
»Ich
glaube, Sie sollten besser gehen«, sagte Henrietta.
»Ein unschuldiger Mann ist für den Mord an Ihrem Ehemann verhaftet
worden, Mrs Randall.«
Henrietta zog nicht einmal eine Augenbraue in
die Höhe. »Und was habe ich damit zu tun?«
»Ist Ihnen
das denn völlig egal?«
Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
»Natürlich nicht.«
Francesca
wartete ab.
»Ich will nur, dass der Mörder meines Mannes seine gerechte Strafe
erhält.«
Francesca seufzte. Offenbar hatte es in dieser Ehe keine Liebe
gegeben. »Es tut mir Leid, dass Sie den größten
Weitere Kostenlose Bücher