Brenda Joyce
Francesca wurde mit einem Mal bewusst, wie ungewöhnlich dieser
Besuch war. »Ist Neil denn nicht zu Hause?« Als sie diese Worte aussprach,
verspürte sie ein Ziehen in der Brust. Neil würde doch wohl nicht zu solch
früher Stunde seiner Liebelei frönen?
Francesca konnte immer noch nicht glauben, dass ihr Schwager eine
Affäre hatte. Bis zu jenem schrecklichen Moment, als sie es entdeckt hatte, war er für sie der nobelste Mann gewesen, dem sie
je begegnet war. Francesca hatte ihn für den perfekten Gentleman gehalten und
den perfekten Ehemann dazu. Connie blickte zur Seite. »Doch. Neil ist zu
Hause«, sagte sie leise.
Francesca sah den gequälten Ausdruck auf dem Gesicht ihrer
Schwester und hasste sich dafür, dass sie ihr nicht gestand, was sie in Erfahrung gebracht hatte. Dabei war sie
sich ganz sicher, dass Neil eine Affäre hatte, denn sie hatte ihn in
flagranti erwischt. Sie wusste, dass seine Geliebte kurz vor der Abreise nach
Europa stand, wo sie für den Rest des Jahres bleiben würde. Vielleicht
bedeutete dies ja das Ende der Affäre, und es würde sich alles in Wohlgefallen
auflösen.
Aber Francesca glaubte nicht daran. Einige Tage zuvor hatte ihr
Connie beinahe den Kopf abgerissen, weil Francesca angeblich in ihrem
Privatleben herumgeschnüffelt hatte. Connie hatte klipp und klar von ihrer
Schwester verlangt, dass sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern
solle. Francesca hatte ihre Schwester noch niemals so wütend gesehen.
Sie war sich nicht sicher, ob Connie Bescheid wusste, aber ganz
offenbar spürte sie, dass irgendetwas nicht stimmte. Francesca schenkte ihr ein
kleines Lächeln. »Du bist also gekommen, um mir bei einem späten Frühstück
Gesellschaft zu leisten?« Connie war eine hingebungsvolle Ehefrau und Mutter,
und dass sie an einem Samstagmorgen nicht bei ihrem Baby, der dreijährigen Charlotte
und Neil weilte, ließ darauf schließen, dass dunkle Wolken über ihrem Leben
aufzogen.
Connie erwiderte das Lächeln. »Ich dachte, du hättest vielleicht
Lust auf einen Einkaufsbummel. Neil ist zum Mittagessen verabredet, und
Charlotte ist zu einer Geburtstagsfeier eingeladen.«
Francesca blickte ihre Schwester nachdenklich
an. Normalerweise hätte Connie Charlotte zu der Geburtstagsfeier begleitet und
sich dort mit den anderen Müttern zusammengesetzt, die alle junge Damen der
guten Gesellschaft waren.
»Ich
wollte dich abholen, damit wir ein bisschen Geld verprassen können. Wir machen
uns einen schönen Tag und essen im Sherry's oder im Plaza Hotel zu Mittag«,
fuhr Connie fort, aber es waren nur ihre Lippen, die lächelten, nicht ihre
Augen.
Francesca
fiel auf, dass Connie mit einem Mal ernst und unglücklich wirkte. Außerdem
wusste sie genau, dass Fran Einkaufsbummel hasste. Seufzend ergriff Francesca
die Hand ihrer Schwester. »Oh, Con, ich kann nicht. Es tut mir Leid.«
»Aber
warum denn nicht?«, rief Connie enttäuscht.
Sie zögerte. »Mein Fall. Ich muss einige
Leute befragen.« Paul Randalls Witwe war die Erste auf ihrer Liste, gefolgt von
Calder Hart. Außerdem wollte sie Joel bitten, zum Präsidium zu gehen, um
herauszufinden, welche Fortschritte Bragg bislang bei seinen Ermittlungen
gemacht hatte.
»Du hast tatsächlich vor, den Tag damit zu verbringen, Detektiv
zu spielen?«, fragte Connie ein wenig überrascht.
Francesca nickte fröhlich. »Aber benutze diesen Ausdruck bitte
nicht in diesem Haus!«
»Mama ist in ihrem Zimmer. Sie wird erst frühestens in zwei
Stunden nach unten gehen, das weißt du doch.«
»Es gibt
für alles ein erstes Mal.«
»In diesem Falle möchte ich es bezweifeln. Na schön, ich werde
dich begleiten«, erklärte Connie schließlich.
»Wie bitte?« Francesca glaubte,
sich verhört zu haben. »Ich werde dich begleiten«, wiederholte Connie lächelnd.
»Das macht bestimmt Spaß.« Ihr Lächeln schwand. »Und es wird mich auf andere
Gedanken bringen.«
Francesca blickte sie an. »Du meinst, es wird dich davon abhalten,
über Neil nachzudenken.« Die Worte waren ihr einfach so herausgerutscht.
Connie erstarrte. »Das habe ich nicht gesagt.«
Sie wandte sich ab, drehte sich dann aber wieder zu Francesca um. »Bitte, Fran!
Ich verspreche auch, mich nicht einzumischen. Wenn du willst, werde ich nichts
weiter als deine treue Begleiterin sein.«
Francesca hätte am liebsten abgelehnt. Sie wollte Connie nicht im
Schlepptau haben, schon allein deshalb nicht, weil sie für sie verantwortlich sein würde, wenn sie in Gefahr
gerieten – und
Weitere Kostenlose Bücher