Brennendes Schicksal (German Edition)
Dann sah sie Circe wehleidig an und verschwand in ihren Gemächern.
Doch Laura war alles andere als müde. Sie saß ganz still in ihrer Kammer, die Sinne aufs Äußerste gespannt, und lauschte auf die Geräusche im Hause. Aus der Küche drang der Gesang einer Magd, hin und wieder waren Schritte oder Lachen zu hören.
Als die Turmuhr die achte Abendstunde verkündete, zog Ruhe ein.
Laura stand auf und setzte sich so nah an die Tür, dass auch das leiseste Geräusch zu ihr drang. Sie wusste nicht genau, worauf sie wartete, doch sie ahnte, dass irgendetwas passieren würde.
Und sie behielt Recht. Die Nachtwächter liefen unten am Haus vorbei und mahnten die Bewohner Sienas zur Nachtruhe, da hörte Laura leise die Tür von Circes Gemach klappern. Kurz darauf huschten leise Schritte vorbei, eine Treppenstufe knarrte, dann fiel unten die Tür geschmeidig ins Schloss.
Schnell schlüpfte Laura in ihren Umhang, bedeckte ihr Gesicht mit einem Schleier und folgte Circe.
Dieses Mal war es einfach, ihr auf den Fersen zu bleiben, denn Circe blickte sich nicht um. Sie schien in Eile zu sein und hastete in Richtung Stadttor, das in Kürze geschlossen werden sollte.
Laura wunderte sich, denn niemand verließ um diese Uhrzeit noch die Stadt, zumal es hinter der Mauer von zwielichtigen Existenzen nur so wimmelte. Die Henker, Abdecker und Abortkehrer hatten dort ihr Zuhause und mit ihnen die Huren, Beutelschneider und Feldsiechent. Zigeuner schlugen ihr Lager auf, Jahrmarktsgaukler, Kesselflicker und Scherenschleifer übernachteten im Schutz der Gräber derjenigen, denen ein christliches Begräbnis innerhalb der Stadt verwehrt worden war: Selbstmörder, Verbrecher, Juden und ungetaufte Kinder.
Das eiserne Tor wurde bereits rasselnd an schweren Ketten herunter gelassen, als Laura im letzten Augenblick die Stadt verließ.
Circe hatte nur einen kleinen Vorsprung. Ohne sich umzusehen, eilte sie zwischen den schäbigen Katen, offenen Feuerstellen und schlafenden Gestalten zur einzigen Herberge, die in dieser Gegend zu finden war. Es war das Wirtshaus Zu den drei Affen .
Laura versuchte, durch die hölzernen Läden ins Innere der Schankstube zu spähen, und entdeckte zu ihrer großen Überraschung den Bettler, der damals beim Gewitter Schutz in ihrem Haus gesucht hatte.
Als Circe die Wirtschaft betrat, stand er auf und tat so, als müsse er ein dringendes Bedürfnis unter den Bäumen an der Rückseite des Wirtshauses verrichten.
Lautlos umrundete Laura das Haus und verbarg sich in einem leeren Trog auf dem Hof, der offensichtlich den Schweinen als Futterplatz diente.
Sie sah den Bettler, der sich im Schatten eines Baumes verbarg. Gleich darauf betrat auch Circe da Volterra den offenen Hinterhof.
»Pst!«, rief der Bettler leise und winkte mit der Hand. »Hier bin ich.«
Circe eilte zu ihm, und Laura, die nur knapp drei Meter von den beiden entfernt im Schweinetrog kauerte, duckte sich so fest sie konnte auf den Boden.
»Warum kommst du so spät?«, herrschte der Bettler Circe da Volterra an.
»Es ging nicht früher, ich musste erst warten, bis alle schliefen.«
»Wie kommst du voran?«
»Es ist alles so, wie Ihr es gewünscht habt. Angelo da Matranga liegt elend zu Bett. Ich rechne schon in den nächsten Tagen mit seinem Tod. Das Gift entfaltet seine Wirkung nur langsam. Er ist stark wie ein Pferd.«
»Dann sieh zu, dass es bald zu Ende geht. Ich habe nicht ewig Zeit. Und auch Cosimo de’ Medici will nicht länger warten. Siena muss so schnell wir möglich unter die Herrschaft von Florenz gebracht werden.«
»Ich tue mein Bestes, das wisst Ihr, Alvaro del Gerez.«
»Still! Du dumme Gans sollst meinen Namen nicht aussprechen! Wie oft habe ich dir das schon gesagt!«
»Hier hört uns doch niemand«, verteidigte sich Circe da Volterra lahm. »Außer uns ist hier kein Mensch weit und breit.«
»Man kann nie wissen«, erwiderte del Gevez. »Und du solltest dafür sorgen, dass der Spuk bald vorbei ist. Wie lange, meinst du, wird da Matranga noch leben?«
Circe da Volterra zuckte mit den Achseln. »Schwer zu sagen. Zwei oder drei, höchstens vier Tage. Ich werde morgen noch einmal eine doppelte Dosis des Giftes unter seine Speisen mischen.«
»Vier Tage höchstens«, murmelte Alvaro del Gerez vor sich hin. »Das heißt also, dass ich die Soldaten zusammenziehen kann.«
Er sah Circe prüfend an, dann lachte er hässlich und kniff ihr in die Wange.
Laura sah, wie ihre Lehrerin zusammenzuckte.
»Hab dich nicht so,
Weitere Kostenlose Bücher