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Brombeersommer: Roman (German Edition)

Brombeersommer: Roman (German Edition)

Titel: Brombeersommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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sich auch lieber nicht um Hilfe bemüht. In den letzten Monaten und Wochen des Krieges versuchten Gestapo und SS sich noch all derer zu entledigen, die nach der bevorstehenden Niederlage gegen sie hätten aussagen können. Sie erschossen und verscharrten am Waldrand auch die, die sich während der nationalsozialistischen Herrschaft unauffällig verhalten, aber vor 1933   Sozialdemokraten gewesen waren. Willi Matussek hatte Angst gehabt, denunziert zu werden.
    Viola war im Krieg zum Arbeitsdienst bei einem Eisen- und Stahlwerk eingeteilt worden. Zuerst brauchte man sie für leichtere Arbeiten im Büro, zuletzt, als immer mehr Arbeiter für »abkömmlich« erklärt und eingezogen wurden, auch bei der Fertigung von Panzerblechen. Als ihre Eltern im Dezember 1944 während des zweiten großen Luftangriffes auf die Stadt ausgebombt wurden, kam sie bei einer Kollegin unter, die wie sie in den Klöckner-Werken arbeitete. Als aber die Produktion des Hüttenwerks nach dem dritten Großangriff im März 1945 völlig zumErliegen kam, zog Viola mit Gerda zu ihrem Onkel nach Dortmund. Gerda half in der Bäckerei, und Viola arbeitete nun bei der Bahnhofsmission.
    Als die englischen Besatzer nach der deutschen Kapitulation die Regierungsgewalt übernahmen, kam Viola aufgrund ihrer Arbeit mit den britischen Militärbehörden in Kontakt. Die Weiterleitung der Flüchtlinge, die Wiederunterbringung der Evakuierten, die Erfassung der heimkehrenden Soldaten, die Rückkehr der ehemaligen Zwangsarbeiter in ihre Heimatländer konnten nur mit Weisung und Genehmigung der Militärregierung erfolgen. Je besser Violas Englisch wurde, umso mehr Aufträge bekam sie von den englischen Besatzern. Die Sehnsucht nach geregelten Verhältnissen und einem Neubeginn wuchs. Nur die Besatzungsmächte konnten diesen Traum Realität werden lassen, aber das sagte man besser nicht laut.
    Als Viola eines Morgens in der Pappschachtel, die eine Flüchtlingsfrau ihr in die Hände drückte, einen toten Säugling fand, fing sie an zu weinen und konnte nicht mehr aufhören. Ein britischer Soldat nahm sie mit in sein Büro. Von da an dolmetschte sie für die Engländer. Die Armbinde mit dem Vermerk »MG Military Government interpreter« sollte sie davor schützen, als »Tommy-Liebchen« abgestempelt zu werden. Sie wurde trotzdem verächtlich angesehen. Ihr Onkel schwieg dazu, die Tante spuckte vor ihr aus. Selbst Gerda verstand ihre Schwester nicht. Die Fleischkonserven, die Viola ab und zu heimbrachte, aßen sie trotzdem.
    Viola liebte ihre neue Arbeit. Die Engländer verhielten sich korrekt, nach einiger Zeit freundlich. Obwohl sienicht mit der deutschen Bevölkerung fraternisieren sollten, nahmen die Soldaten sie manchmal mit in den englischen Klub. Ihren Verwandten verschwieg Viola das lieber, aber Theo, Karl und Edith erzählte sie davon.
    »Ihr glaubt nicht, was die für Musik hören! Louis Armstrong, Billie Holiday, Glenn Miller. Wenn ich euch nur mal dahin mitnehmen könnte! Das reißt euch vom Stuhl. Mein Gott, was für ein anderer, freier Wind!«
    Theo legte Viola den Arm um die Schultern. »Vielleicht nimmst du mich ja mal mit in den Club.«
    »Nee, das geht nun wirklich nicht. Das sind doch alles englische Soldaten. Da müsstest du schon mein Verlobter sein.«
    »Kein Problem«, antwortete Theo. »Karl, Edith, ihr seid meine Zeugen.«
    O Gott, dachte Karl.
    »Hochgeschätzte Viola. Ich liebe dich. Willst du mich heiraten, demnächst, wenn ich mit dem Studium fertig bin, und willst du bis dahin«, er musste lachen, weil er Viola das erste Mal fassungslos sah, »meine Verlobte sein? Ring und Gebrauchsanweisung für den Umgang mit deinem Verlobten folgen.«
    Edith klatschte in die Hände.
    »Du lieber Himmel, hüte dich«, rief Karl. »Er ist ein Scheusal! Ich kenne ihn besser als du. Wenn du willst, male ich dir die angekündigte Gebrauchsanweisung in Schönschrift. Ich kann dir sagen, die Zehn Gebote sind nichts dagegen.«
    Theo sah ihn vernichtend an und legte auch den anderen Arm um Viola.
    »Hör nicht auf diesen Menschen, der mir nur das Glück neidet. Er kann meine Siege einfach nicht ertragen. Das war schon früher so. Du hättest ihn sehen sollen, wenn ich beim Rennen schneller war als er   …«
    »Glaub ja nicht diesen Quatsch!«, rief Karl. »Wir waren gleich schlecht im Sport, und kein einziges Mal warst du schneller als ich!«
    »Schweig, Bruder, lass mir mein Glück und genieße dein eigenes«, sagte Theo, hob Viola in die Luft, wirbelte sie

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