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Bruderdienst: Roman (German Edition)

Bruderdienst: Roman (German Edition)

Titel: Bruderdienst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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herstellen!«, brüllte Müller zurück. »Gebrauchen Sie Ihr Gehirn, Mann! Was haben Sie denn außer Verfahrensregeln noch gelernt?«
    »Hallo!«, hauchte Esser gerade noch vernehmbar.
    »So geht das nicht«, bestimmte Krause scharf. »Wir holen Mister Kim gleich ab und werden sehen, was wir tun können. Ich danke Ihnen.«
    Der Beamte war außer sich, er atmete hörbar, und sein Gesicht war hochrot angelaufen. Er machte auf dem Absatz kehrt und verließ grußlos das Zimmer.
    »Karl Müller!«, sagte Krause ganz ruhig. »Holen Sie Ihren Kim und hören Sie auf, hier einen Aufstand zu veranstalten.«
    »Entschuldigung«, sagte Müller. »Tut mir leid. Ich hole ihn.«
    »Moment noch«, sagte Krause. »Vermeiden Sie bitte auf jeden Fall weitere Zusammenstöße. Und falls Sie dem Mann noch einmal begegnen, entschuldigen Sie sich bei ihm. Fahren Sie in Kims Wohnung und arbeiten Sie dort mit ihm. Nehmen Sie sich die Technik mit. Ich denke, da reicht ein Rekorder. Wir haben wirklich keine Zeit mehr. Wollen Sie den Dolmetscher hinzuziehen?«
    »Um Gottes willen, nein«, antwortete Sowinski an Müllers Stelle scharf.
    Müller ging hinaus und beeilte sich, zu Kim zu kommen. Der saß wie ein Häufchen Elend der Phalanx der Neugierigen gegenüber und starrte vor sich auf die Tischplatte.
    »He, Kim«, sagte er gelassen. »Komm, wir fahren spazieren.«
    Es herrschte eine geradezu gespenstische Stille, als er die Tür hinter Kim schloss.
    Auf dem Weg nach draußen legte er eine Hand auf Kims Schulter: »Das hast du gut gemacht, mein Alter!«
    Kim war noch viel zu verkrampft, um zu lächeln. »Diese Leute waren schlimm«, sagte er. »Ich hatte ganz feuchte Hände.«
    »Jetzt ist es vorbei, jetzt hast du nur noch mich am Tisch. Und wir müssen uns beeilen. Wir kommen an einem italienischen Eiscafé vorbei. Willst du ein Eis?«
    »Das wäre sehr schön.«
    Also holten sie sich jeder drei Kugeln in der Waffel, hockten auf dem Gehsteig und betrachteten die Vorbeikommenden.
    »Gab es das in Pjöngjang auch? Ein Eiscafé?«
    »Nein. Eis gibt es nur in den großen Hotels. Für Staatsgäste und Touristen. Aber nicht für uns. Heute Morgen habe ich auf CNN gesehen, dass Nordkorea die Aufbereitungsanlage stilllegen will. Glaubst du das?«
    »Ja, das kann gut sein. Andererseits kennen wir ohnehin nicht alle Atomanlagen. Und wir haben keine Ahnung, wo deine Staatsführung die bereits gebauten Bomben aufbewahrt. Euer Staatschef ist ein echtes Schlitzohr, musst du wissen.«
    Kim grinste matt. »Mein Leben lang hat es geheißen, er sei ein Genie. Aber Schlitzohr gefällt mir besser.«
     
     
     
    Als sie wieder in Kims Wohnung waren, ließ Müller es langsam angehen. Er baute den kleinen Rekorder etwas umständlich auf, fragte Kim, ob er seine eigene Stimme nur interessehalber mal hören wolle, ließ ihn dümmliche Sätze auf Band sprechen und spielte sie ihm anschließend vor. Dann begannen sie.
    »Ich würde vorschlagen, du erzählst erst einmal ein bisschen über dein Leben, deinen Beruf, alles, was dir wichtig erscheint.«
    »Kannst du etwas auch wieder löschen, wenn ich was Falsches sage?«
    »Aber ja, natürlich. Willst du etwas trinken?«
    »Nein. Später. Also, an meine Kindheit habe ich keine großen Erinnerungen. Schon mein Vater arbeitete für das Transportministerium in Pjöngjang, er war einer der Hausmeister. Und er hat sich immer gewünscht, dass mein Bruder und ich dort richtig arbeiten, als Beamte.
    Wir waren sieben Kinder, fünf Schwestern und zwei Brüder. Die Schwestern wurden zuerst geboren, dann mein Bruder, zuletzt ich. Unser Leben war sehr hart, denn mein Vater verdiente nicht sehr viel. Und es gab Hungersnöte, die wir nur mit Mühe überstanden. Meine Schwestern wurden später in andere Städte verheiratet, sie blieben nicht in Pjöngjang, und wir hatten auch keine Verbindung mehr zu ihnen.«
    »Wie bist du in dieses Ministerium gekommen?«
    Er sah die Unsicherheit in Kims Blick, und er entschloss sich, Klartext zu sprechen. »Kim, wir haben wenig Zeit. Es geht um eine Atombombe, die irgendwo auf diesem Planeten darauf wartet, zu explodieren. Dein Bruder hat nachweislich damit zu tun, und du bist unser Schlüssel zu ihm. Du musst dich erinnern! Du warst an seiner statt auf der Insel. Was ist da vorgefallen?«
    Kim saß mit gebeugtem Rücken auf dem Sofa und rührte sich nicht.
    »Soll ich Fragen stellen? Geht das leichter? Wann hattest du den letzten Kontakt mit deinem Bruder?«
    »Ungefähr vor einem halben Jahr«,

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