Bußestunde
Schock. Er steht so lange wie erstarrt da, dass der an Überfälle gewöhnte Naoum Chamoun hätte reagieren und ihn seinerseits niederschlagen können.«
»Stattdessen bleibt Chamoun, der Mann, der seinen Laden videoüberwacht, um seine hartgesottene Sippe auf eventuelle Räuber anzusetzen, minutenlang wie angewurzelt mit den Händen über dem Kopf stehen. Das ist ein Paradox.«
»Und wer die Polizei ruft, ist Erotik-Johannes und kein anderer. Ist das vielleicht auch ein Paradox?«
»Anderseits verhält sich keiner von ihnen irgendwie verdächtig.«
Die beiden verstummten für einen Augenblick und sahen sich an.
»Aber meine Witterung spüre ich immer noch«, sagte Lena.
»Ich spüre sie auch«, sagte Sara. »Obwohl ich nicht genau weiß, warum.«
»Also untersuchen wir die Sache.«
Sie traten auf den Korridor hinaus und verließen den Trakt der A-Gruppe, bis sie zu einer Reihe von Zimmern gelangten, die von einer gestrengen Empfangsdame überwacht wurden. Diese steckte den Kopf aus ihrem Schalter und sagte: »Sie sitzen in getrennten Wartezimmern, wie ihr es gewünscht habt, aber sie sind inzwischen beide etwas ungehalten.«
»Sind es nur zwei?«, fragte Lena Lindberg und zog die Stirn in Falten.
Die Kollegin von der Anmeldung las die Namen von einem Blatt Papier ab: »Johannes Åkerblom und Naoum Chamoun.«
»Keine Lisa Jakobsson?«
»Nein«, sagte die Kollegin ein wenig schnippisch, als hätte sie von der Obrigkeit etwas mehr Dankbarkeit erwartet.
»Lassen wir unseren Aramäer etwas warten?«, fragte Lena.
»Your call«, sagte Sara.
»Dann tun wir das«, gab Lena zurück.
Worauf sie sich zu einem sehr gepflegten Herrn in gehobenem Alter in einem Vernehmungsraum setzten.
Besagter Herr erklärte mit barscher Stimme: »Meine Damen. Da ich vermute, dass Sie mich völlig bewusst mehr als eine Stunde in einem klaustrophobischen Zimmerchen haben warten lassen, nehme ich an, dass Sie damit etwas bezwecken. Darf ich fragen, was?«
Da die Frage nicht nur wohlformuliert, sondern auch wohlmotiviert war, erwiderte Sara Svenhagen auf dieselbe Weise: »Wir interessieren uns dafür, warum Sie, Johannes Åkerblom, am Sonntagnachmittag um vier Uhr einen Pornofilm ausleihen wollten.«
»Das Interesse der Damen für derartige Dinge interessiert mich wiederum wenig«, sagte Johannes Åkerblom, immer noch geistreich, doch mit einer neuen Schärfe in der Stimme, die sich in der Fortsetzung manifestierte: »Kommen Sie zur Sache.«
»Also nehmen wir an, dass Sie Stammkunde sind«, sagte Lena Lindberg. »Und dass Ihre Frau Britta, mit der Sie seit dreißig Jahren verheiratet sind, damit einverstanden ist. Dann können wir ja anrufen und mit ihr darüber sprechen.«
»Unsere eventuellen ehelichen Arrangements haben nicht das Geringste mit Ihrer Ermittlung zu tun, und das wissen Sie genau. Also frage ich mich, worauf Sie eigentlich hinauswollen. Stehe ich unter irgendeinem Verdacht?«
»Nicht im Geringsten«, sagte Sara Svenhagen versöhnlich. »Wir versuchen lediglich, uns ein so klares Bild zu machen wie möglich. Natürlich wissen wir, dass Sie es waren, der die Polizei angerufen hat.«
»Also das Übliche«, sagte Johannes Åkerblom bitter. »Ist das der Dank dafür, dass man ein Verbrechen meldet? Dass man sexueller Perversionen bezichtigt wird?«
»Das wäre also das Übliche?«, fragte Lena Lindberg. »Kommt es häufig vor, dass Sie Verbrechen melden und anschließend sexueller Perversionen bezichtigt werden?«
»Gibt es wirklich keinen Grund, Zeugen bei guter Laune zu halten? Würde das nicht der Allgemeinheit dienen?«
»Wir haben uns natürlich Ihr Strafregister angesehen«, sagte Sara Svenhagen und begann in einem viel zu dicken Papierstapel zu blättern. »Das sieht überhaupt nicht gut aus. Steuervergehen seit den Sechzigerjahren, in wiederholten Fällen.«
»Schlampige Steuererklärungen«, sagte Johannes Åkerblom unbeeindruckt. »Hören Sie, ich weiß, dass das, was Sie hier machen, Albernheiten sind. All dies ist schon seit Langem abgegolten. Was wollen Sie eigentlich?«
»Wir wollen wissen, wer Sie sind«, sagte Lena Lindberg kühl. »Damit wir wissen, wie viel Vertrauen wir in Ihre Zeugenaussage haben können.«
»Sie sind nahe daran, überhaupt keine Zeugenaussage zu bekommen.«
»Das kann ich mir kaum vorstellen.«
»Wenn man endlich frei ist von jahrzehntelangen Steuerschulden«, sagte Sara Svenhagen, »wäre es ziemlich dämlich, sich schuldig zu machen, indem man polizeiliche
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