Butter bei die Fische: Ein Ostfriesen-Krimi (Piper Taschenbuch) (German Edition)
ihre Brüste. Verdammt. »Tja«, sagte er, weil Imogen ihn fragend ansah.
»Man kann einfach nicht rund um die Uhr arbeiten«, meinte sie und krauste ihr hübsches Näschen. »Und selbst wenn man könnte: Am Ende bringt es nichts, weil ihr völlig fertig und zu keinem klaren Gedanken mehr fähig seid. Außerdem … wenn ein Fall abgeschlossen ist, kommt der nächste. Es geht doch nicht an, dass ein Polizist seine gesamte Freizeit im Kommissariat verbringt, nur weil die Gesellschaft nicht bereit ist, für ausreichend Personal zu bezahlen. Entweder wollen wir Sicherheit, oder wir wollen keine.« Das waren harte Worte, und Elias fand es unfassbar, dass Imogen beim Sprechen trotzdem immer noch aussah, als würde sie Glitzersternchen in die Welt hauchen.
»Was soll’s. Morgen haben wir erst mal unseren fünften Kennenlerntag. Vor fünf Jahren haben wir uns auf Bettes Hochzeit das erste Mal gesehen«, sagte sie, kräuselte eine von Harms Haarsträhnen um ihren Finger und lockte: »Es ist Sonnenschein angesagt. Wie wäre es, wenn wir rausfahren würden? Stell dir vor: Die Nordsee leuchtet … der Strand von Norderney … Marzipan-Sahne-Windbeutel im Friedrich …«
Harm lächelte angespannt.
»Wir vergessen einen Tag lang den ganzen blöden Alltag«, versuchte Imogen ihn zu überreden. »Meine Mutter nimmt die Kinder.«
Nur musste Harm morgen leider zum Dienst, weil Bärbel ihnen durch die Finger geflutscht war und inzwischen ganz Ostfriesland auf die Leeraner Kripo starrte und sich fragte, warum es ihr nicht gelang, eine behinderte Frau zu schnappen. Da kam es gar nicht gut, wenn der Chef des Ermittlungsteams sich freizeitmäßig ausklinkte. Harm kratzte sich unglücklich den Kopf.
Imogen fand in ihrer Hosentasche eine Murmel und begann ein Tischminigolf, was bedeutete, dass die Teetassen, zwei Kochlöffel sowie ein selbst gebrannter Salzstreuer mitsamt Pfefferstreuer zu Hindernissen umfunktioniert wurden. In einem hatte sie recht: Für einen Polizisten folgte auf ein Verbrechen das nächste. Und den fünften Kennenlerntag würden sie kein zweites Mal feiern können. Als alle gebannt zusahen, wie die Murmel sich ihren Weg bahnte, griff Elias in Harms Jacke und entwendete dessen Autoschlüssel. Ohne Auto würde Harm nicht nach Leer kommen. Manchmal ist es nötig, einen Kumpel zu unterstützen, dachte er.
Hätte Bärbel überlebt, wenn er den Schlüssel nicht an sich genommen hätte? Das war die Frage, die Elias in den folgenden Wochen und Monaten quälen sollte.
Vielleicht hätte Harm, wäre er zum Dienst erschienen, statt seinen Fünfjahrestag zu genießen, Elias anderswo benötigt, und er wäre gar nicht erst nach Neermoor gefahren, um nach Bärbel zu suchen. Dann wäre ihr nichts passiert. Oder Harm hätte ihm Hedda mitgegeben, die sich anders als er selbst nicht vom Mitgefühl hätte lähmen lassen, als Bärbel am Bach saß und für Boris mit einem Küchensieb Kaulquappen aus dem Wasser fischte.
»Du hättest anders reagiert«, sagte Elias zu Hedda, der er sein Herz ausschüttete, als sie aus Neermoor in die PI zurückgekehrt waren.
»Man weiß es nicht«, meinte sie. Ihre Hand steckte in einem weißen Verband. Der Daumen war angebrochen, aber das hatte sie nicht hindern können, nach Leer zu hetzen, jetzt, wo in der PI der Teufel los war. Eine Verdächtige war bei einer dubiosen Verfolgungsjagd zu Tode gekommen. Das K 1 stand im Schweinwerferlicht, dass man nur noch blinzeln konnte. Und dass ihr Chef in dieser Situation mit seiner Jacht über die Nordsee schipperte, trug auch nicht gerade zur Entspannung bei. Man hatte versucht, Harm zu erreichen, doch er hatte das Smartphone abgestellt, und einem Anruf im Café Friedrich war ebenfalls kein Erfolg beschieden gewesen.
Zwar tat Olly ihr Bestes, die Stellung zu halten, aber das große Talent im Umgang mit Medien besaß sie ja nicht, und dass man sie ständig mit der Frage nervte, ob sie persönliche Konsequenzen ziehen wolle, machte sie auch nicht verbindlicher. Schließlich tauchte Jens Jensen auf, der Chef des Zentralen Kriminaldienstes, der eigentlich mit einer Sommergrippe das Bett hüten sollte. Er kündigte eine Pressekonferenz an und bat Elias in sein Büro. Dort schnäuzte er sich erst einmal ausgiebig die Nase. Dann sagte er: »Also, jetzt mal ganz genau.«
Elias begann mit seinem Bericht. Er war an diesem tragischen Morgen mit Harms Auto schon in aller Früh losgefahren. Und da ihm klar war, wie wenige Möglichkeiten Bärbel hatte, um
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