Byrne & Balzano 02 - Mefisto
an die Türen klopfte. Alle Sinne in höchster Alarmbereitschaft, fuhr Byrne jedes Mal seine Antenne aus und ließ seinen aufmerksamen Blick über jedes Gesicht gleiten. Er trug einen Ohrhörer, der ihn über eine offene Telefonleitung mit Tony Park und Mateo Fuentes verband. Jessica hatte versucht, ihm auszureden, sich über den aktuellen Stand der Dinge auf dem Laufenden zu halten, war aber gescheitert.
86.
Byrne war zu Tode betrübt. Wenn Colleen irgendetwas zustoßen sollte, würde er das Schwein abknallen – ein Schuss ins Herz – und dann sich selbst. Es gab keinen einzigen Grund, danach noch einen einzigen Atemzug zu tun. Colleen war sein Leben.
»Was passiert jetzt?«, fragte Byrne in sein Headset. Er war über eine Dreierschaltung mit Mateo Fuentes und Tony Park verbunden.
»Die Kamera bewegt sich nicht«, erwiderte Mateo. »Man sieht nur … nur Colleen vor der Wand. Keine Veränderung.«
Nervös ballte Byrne die Hände zu Fäusten und ging weiter. Das nächste Reihenhaus. Die nächste Möglichkeit, diese Szene zu erblicken. Jessica klingelte.
War es hier?, fragte Byrne sich. Er strich mit der Hand über das schmutzige Fenster und spürte nichts. Er trat zurück.
Eine Frau öffnete. Eine dicke schwarze Frau Ende vierzig hielt ein Baby auf dem Arm, das vermutlich ihre Enkeltochter war. Sie hatte ihr graues Haar zu einem Knoten frisiert. »Was ist los?«
Viele machten sofort die Schotten dicht, wenn die Polizei auftauchte. Sie betrachteten es als Eindringen in ihr Privatleben. Die Frau schaute über Jessicas Schulter und versuchte, Byrnes Blick standzuhalten, was ihr nicht gelang.
»Haben Sie dieses Mädchen gesehen, Ma'am?«, fragte Jessica. Sie hielt das Bild in einer Hand, die Dienstmarke in der anderen.
Die Frau schaute nicht sofort auf das Bild, sondern überlegte stattdessen, ob sie die Möglichkeit hatte, die Zusammenarbeit mit der Polizei zu verweigern.
Byrne wartete nicht auf ihre Antwort. Er bahnte sich an der Frau vorbei den Weg ins Haus, sah sich im Wohnzimmer um und stieg die schmale Treppe in den Keller hinunter. Dort standen eine verstaubte Nautilus-Maschine und ein paar defekte Geräte. Seine Tochter fand er nicht. Er stieg die Treppe wieder hinauf und rannte durch die Haustür ins Freie. Ehe Jessica sich bei der Frau entschuldigen und ihrer Hoffnung Ausdruck verleihen konnte, dass sie keine Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstatten würde, schlug Byrne mit der Faust an die Tür des nächsten Hauses.
***
Sie teilten sich auf. Jessica übernahm die nächsten Häuser. Byrne lief voraus und bog um die Ecke.
Jessica stand jetzt vor einem verfallenden, zweistöckigen Reihenhaus mit einer blauen Tür. Auf dem Namensschild neben der Tür stand V. TALMAN. Jessica klopfte. Keine Antwort. Sie klopfte noch einmal. Wieder keine Reaktion. Sie wollte gerade weitergehen, als eine ältere weiße Frau die Tür einen Spalt öffnete. Sie trug ein verwaschenes graues Kleid und Tennisschuhe mit Klettverschluss. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte die Frau.
Jessica zeigte ihr das Bild. »Entschuldigen Sie die Störung, Ma'am. Haben Sie dieses Mädchen gesehen?«
Die Frau nahm ihre Brille ab und starrte auf das Bild. »Hübsch.«
»Haben Sie dieses Mädchen kürzlich gesehen, Ma'am?«
Aufmerksam betrachtete sie das Foto. »Nein.«
»Leben Sie allein…«
»Van!«, rief sie. Sie neigte den Kopf zur Seite und lauschte. Dann rief sie noch einmal: »Van!« Keine Reaktion. »Muss weg sein. Tut mir leid.«
»Danke.«
Die Frau schloss die Tür, als Jessica über das Geländer auf die Veranda des angrenzenden Hauses sprang. Hinter diesem Haus war ein mit Brettern vernageltes Ladenlokal. Sie klopfte und klingelte. Nichts. Sie presste ein Ohr auf die Tür. Stille.
Jessica stieg die Treppe hinunter, und als sie zurück auf den Fußweg lief, prallte sie beinahe mit jemandem zusammen. Ihr Instinkt riet ihr, die Waffe zu ziehen. Zum Glück tat sie es nicht.
Es war Mark Underwood. Er trug Zivilkleidung, ein dunkles PPD-T-Shirt, blaue Jeans und Laufschuhe. »Ich habe den Funkspruch gehört«, sagte er. »Keine Sorge. Wir werden sie finden.«
»Danke«, sagte Jessica.
»Welche Häuser habt ihr durchsucht?«
»Bis zu diesem Haus hier«, erwiderte Jessica, obwohl durchsucht nicht das richtige Wort war, denn sie hatten die Häuser nicht betreten und keine Hausdurchsuchungen vorgenommen.
Underwood schaute in beide Richtungen. »Ich rufe ein paar Kollegen.«
Er streckte den Arm aus. Jessica gab ihm das
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