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Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Byrne & Balzano 02 - Mefisto

Titel: Byrne & Balzano 02 - Mefisto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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den Kopf gejagt hat. Sind Sie okay?«
    »Ich wollte mich damals melden«, fügte sie hinzu.
    Auch diesen Satz hatte Byrne oft gehört. Er konnte es verstehen. Das Leben ging weiter. »Wie ist es dir ergangen, Tori?«
    Sie warf die Hände in die Luft. Nicht schlecht, nicht gut.
    Byrne hörte in der Nähe albernes Gekicher. Er drehte sich um und sah zwei Jugendliche ein paar Tische entfernt sitzen, Möchtegern-Schläger, weiße Vorstadtkids in der üblichen schlabberigen Hip-Hop-Montur. Sie starrten zu ihnen herüber und schnitten Horrorfratzen. Vielleicht glaubten sie, dass Byrne wegen seines Stocks keine Gefahr darstellte. Sie irrten sich.
    »Ich bin gleich wieder da«, sagte Byrne. Er wollte aufstehen, doch Victoria legte ihm eine Hand auf den Arm.
    »Schon gut«, sagte sie.
    »Ist es nicht.«
    »Bitte. Wenn ich mich jedes Mal aufregen würde…«
    Byrne drehte sich um und starrte die Punker an. Sie hielten seinem Blick nur wenige Sekunden stand. Dem grünen Feuer, das in seinen Augen brannte, waren nur die Härtesten gewachsen. Kurz darauf schienen sie zu begreifen, dass es wohl klüger war, das Weite zu suchen. Byrne sah ihnen nach, als sie das Lokal durchquerten und zur Rolltreppe gingen. Sie hatten nicht einmal den Mut, einen Blick zurückzuwerfen. Byrne drehte sich wieder zu Victoria um. Sie lächelte ihn an.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Du hast dich nicht verändert. Überhaupt nicht.«
    »O doch. Ich habe mich verändert.« Byrne zeigte auf den Stock. Schon diese winzige Bewegung löste starke Schmerzen aus.
    »Nein, du bist noch immer galant.«
    Byrne lachte. »Man hat mir schon viele Dinge im Leben nachgesagt. Aber galant hat mich noch keiner genannt.«
    »Es stimmt aber. Erinnerst du dich an unsere erste Begegnung?«
    Als wäre es gestern gewesen, dachte Byrne. Er hatte bei der Sitte gearbeitet, als sie den Auftrag erhielten, in einem Massagesalon in Center City eine Razzia zu machen.
    Als sie die Mädchen in jener Nacht zusammengetrieben hatten, stieg Victoria in einem blauen Seidenkimono die Treppe zum Salon des Reihenhauses hinunter. Damals hatte ihm der Atem gestockt – genau wie jedem anderen Mann im Raum.
    Ein Detective – ein kleines Arschloch mit einer dummen Visage, schlechten Zähnen und stinkendem Atem – machte eine abfällige Bemerkung über Victoria. Obwohl es schwierig für ihn gewesen wäre, es damals und selbst heute zu erklären, hatte Byrne den Mann so fest gegen eine Wand gepresst, dass eine Delle zurückblieb. Byrne erinnerte sich nicht mehr an den Namen des Typen, aber an den Lidschatten, den Victoria an jenem Tag aufgelegt hatte.
    Jetzt beriet sie Mädchen, die von zu Hause abgehauen waren. Sie sprach mit Mädchen, die in derselben Situation waren wie sie selbst vor fünfzehn Jahren.
    Victoria schaute aus dem Fenster. Das Sonnenlicht hob die Unebenheiten auf ihrem vernarbten Gesicht hervor. Mein Gott, dachte Byrne. Die Schmerzen, die sie hatte ertragen müssen. Wieder stieg wahnsinnige Wut auf Julian Matisse in ihm auf, diesen Schweinehund, der mit bestialischer Brutalität über diese Frau hergefallen war und sie entstellt hatte.
    »Ich wünschte, sie könnten es sehen«, sagte Victoria. In ihrer nachdenklichen Stimme schwang vertraute Melancholie mit, eine Traurigkeit, die seit vielen Jahren ihr Begleiter war.
    »Was meinst du?«
    Victoria zuckte die Schultern und trank einen Schluck Kaffee. »Ich wünschte, sie könnten es von innen sehen.«
    Byrne glaubte zu wissen, was sie meinte. Offenbar wollte sie es ihm sagen. »Was sehen?«
    »Alles.« Sie zog eine Zigarette aus der Schachtel und rollte sie schweigend zwischen ihren langen, schlanken Fingern. Hier herrschte zwar Rauchverbot, doch sie brauchte diese Stütze. »Wenn ich aufwache, falle ich jeden Tag in ein Loch, verstehst du? Ein tiefes schwarzes Loch. Wenn ich einen richtig guten Tag habe, überstehe ich ihn einigermaßen unbeschadet und komme an die Oberfläche. Wenn ich einen superguten Tag habe, kann ich sogar das Sonnenlicht sehen, den Duft einer Blume riechen, das Lachen eines Babys hören. Aber wenn ich einen schlechten Tag habe, was meistens der Fall ist … ich wünschte, die Menschen könnten das sehen.«
    Byrne wusste nicht, was er sagen sollte. Auch er hatte schon häufig mit Depressionen zu kämpfen gehabt, aber nicht so, wie Victoria es gerade beschrieben hatte. Er strich ihr über die Hand. Sie schaute aus dem Fenster und fuhr fort:
    »Meine Mutter war sehr hübsch. Ist sie noch immer.«
    »Das bist du

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