Byzanz
Glück wegzugeben hatte.
Am frühen Nachmittag traf Francesco Draperio ein. Der Kapitän empfing den Geschäftsfreund und Partner im kleinen Esszimmer im Beisein seiner Frau. Loukas hatte eine zwar kleine, aber sehr gediegene Tafel anrichten lassen, mit Wein und Spezereien. Sie besaßen ja auch allen Grund zum Feiern.
Nachdem Loukas mit seinem Bericht geendet und Draperio parallel beim Zuhören die Konditionen durchgerechnet hatte, erschien, völlig untypisch für den Genuesen, statt einer Klage, dass alles viel zu teuer wäre, ein Lächeln auf seinen Lippen. Vor Freude klatschte er in die Hände und schnalzte mit der Zunge. Dieser Gefühlsausbruch war für seine Verhältnisse, als hätte er einen Tanz aufgeführt. Francesco lässt sich gehen, stellte Loukas belustigt für sich fest.
»Das habt Ihr ausgezeichnet gemacht, Verehrtester, eccellente! Molto buono! Bedingungen, wie ich sie mir niemals hätte träumen lassen. Perfetto! Ottimo! Ihr seid ein Gott, ein wahrer mercurio! Ein Denkmal müsste man Euch errichten!«
Loukas hob abwehrend die Hände. »Ein Denkmal, na, na, zu viel der Ehre!« Ein Blick auf Eirene dämpfte seine Laune. Er sah es ihrem feinen Lächeln an, das ein wenig verloren wirkte angesichts ihres konzentrierten, leicht nach innen gerichteten Blicks.
»Ich möchte, dass die Hälfte meines Anteils in Genua in der Bank von Giannettino Doria deponiert wird, die andere Hälfte bei Euch in Galata. Was ich brauche, rufe ich mit Wechsel oder direkten Finanzierungsordres ab.«
»Wie Ihr wünscht.«
»Was die Finanzierungsordres betrifft, nehmt Sie bitte selbst vor. Übergebt es keinem Angestellten. Wir werden unsere Geschäfte auf unkonventionell-traditionelle Arten absichern müssen!«
Draperio lächelte etwas schmierig. »Die Türken nennen das, glaub ich, bakschisch .«
»Mein Türkisch reicht nicht aus, um zu beurteilen, ob das der richtige Ausdruck ist. Ich nenne es einfach Freundschaft.«
»Sicher, Freunden muss man helfen. Nennen wir diese Ordres nicht Freundschaft, sondern praktizierte Nächstenliebe.«
»Lasst bitte Gott aus dem Spiel«, mahnte Eirene etwas unwillig.
»Ihr habt recht, madonna «, lenkte Draperio ein.
Loukas legte liebevoll seine Hand auf den Handrücken seiner Frau. »Im Grunde hat Francesco recht, meine Liebe. Es wird wirtschaftlich einfacher abzurechnen und vor allem von unseren übrigen Geschäften abzutrennen sein. Aber auch du hast recht, Eirene. Wir richten in der Tat einen Fonds für fromme Stiftungen ein, ausgezeichnete Idee, also beispielsweise für Kirchenbauten, zur Unterstützung von Waisen und Witwen.« Er dachte dabei an die Frau des an seiner Stelle hingerichteten Kanzlisten und daran, wie schnell anständige Menschen in arge Not geraten konnten. Die großen Herren in ihrer Verschwendung interessierte das notleidende Volk nicht. Soziales Engagement stellte immer ein gutes Schmiermittel für die Geschäfte dar, besonders im Umgang mit der mächtigen Kirche und den im Reich tonangebenden Heerscharen von Mönchen. Einige Geschäfte ließen sich ohne demonstrative Nächstenliebe gar nicht machen, denn wer wollte dem Wohltäter schon etwas abschlagen. »Mit dem anderen Teil des Fonds helfen wir unseren Freunden und solchen, die es wohl werden müssen. Diesen Fonds nennen wir Misericordia.«
»Barmherzigkeit«, strahlte der Genuese. »Ihr seid ein Genie, Loukas Notaras. Gott, ein Mann mit Euren Gaben würde in Genua Doge werden!« Die Alarmglocken des Kapitäns schrillten, wenn Francesco Draperio so lobte, wollte er noch etwas. Da hieß es, auf der Hut zu sein. »Ein Genie und ein Heiliger.«
Um die Eloge abzukürzen, fragte Loukas, denn er empfand inzwischen Zeit als kostbarstes Gut: »Wie kann ich Euch helfen?«
»Vielleicht wollen wir das etwas später …«
»Ob meine Frau es jetzt von Euch hört oder später von mir, macht keinen Unterschied. Außer, dass Ihr Euch ihre Gunst verscherzt.«
»Oh orribile! Terribile! Impensabile« , stöhnte der Genuese. Dann flitzten seine Äuglein von Eirene, von der er eher ein erzwungenes Lächeln erhaschte, zu Loukas, dessen Gesicht keine Regung verriet.
»Ihr habt doch nun mal diese guten Beziehungen zur Hohen Pforte.« Der Hausherr machte eine vage Handbewegung, die den Genuesen aufforderte, fortzufahren. »Ich beliefere den Hof von Konstantinopel und einige reiche Familien mit Verschnittenen. Ihr wisst, dass viele reiche Familien und der Adel die Loyalität der Eunuchen schätzen. Sie haben keine Familien,
Weitere Kostenlose Bücher