Byzanz
Unbedingtheit ihres Vaters in sich trug.
»Das muss sie nicht. Sie hat Mama nicht beleidigt, sondern einen Satz formuliert, den man beweisen oder widerlegen kann, aber das hat nichts mit Gefühlen zu tun«, warf Loukas ein, der fand, dass seine Frau überzogen reagierte, zumal er das Argument seiner Mutter als wertlos erachtete.
»Wie stellst du dir eigentlich Annas Zukunft vor?«, fragte Eirene mit einem ärgerlichen Unterton in der Stimme.
»Ach, Kinder, die Zukunft ist doch längst Vergangenheit!«, gab der alte Seeräuber grinsend zum Besten, bevor er kurz und trocken aufstieß.
»Großvater!«, rief Theodora empört und errötete heftig.
»Opa hat gerülpst, Opa hat gerülpst«, freute sich Mitri.
»Still, Demetrios! Still!«, rief Eirene.
»Aber wenn es doch stimmt«, begehrte der kleine Junge auf, der nicht verstand, weshalb er nicht die Wahrheit sagen durfte.
»Weil man so etwas nicht sagt«, wies ihn seine Mutter zurecht.
Zum ersten Mal betraten sie schweigend ihr Schlafzimmer. Eirene war verärgert darüber, dass Loukas ihr in der Erziehung ihrer ältesten Tochter in den Rücken gefallen war. Loukas wiederum verstand nicht, weshalb sie so gereizt reagiert hatte.
»Was ist mit dir, Eirene?«, fragte er, während er sich seiner Hose entledigte.
»Was soll schon sein!«
»Du bist so gereizt. Fühlst du dich nicht wohl?«
»Ich bin nicht gereizt. Aber du versinkst völlig in den Geschäften und in der verfluchten Politik! Und du sprichst nicht mehr mit mir darüber, was dich bewegt, was du tust oder unterlässt. Ich weiß nicht mehr, was stattfindet. Wir haben so wenig Teil an deinem Leben.«
»Das stimmt nicht. Und Anna arbeitet täglich bis Mittag im Kontor.«
»Ja, Anna. Und deine anderen Kinder? Wann hast du denn das letzte Mal Zeit für Mitri gehabt? Dein ältester Sohn braucht dich!«
»Aber er ist doch ständig mit Vater oder mit Demetrios zusammen.«
»Aber du bist sein Vater, Loukas, vor allem braucht er dich. Meinst du etwa, dass es Theodora nicht verletzt, dass sich alles, wenn du überhaupt Zeit hast, immer nur um Anna dreht?« Nackt stand Loukas da. Er wollte gerade das Nachthemd überstreifen, verharrte aber nachdenklich, denn er wusste, dass seine Frau recht hatte, und wollte es doch nicht eingestehen, nicht einmal vor sich. Aber es war auch alles sehr viel. Geschäftlich ging es schon voran, in der Politik jedoch nicht. Im Gegenteil, nach der pathetischen Rede des Fürsten Angelos im Geheimen Rat und der kindischen Begeisterung des Kaisers für die großen Worte drohte Konstantinopel der Untergang. Entweder würden die Byzantiner im Falle eines Sieges über die Türken anschließend von den Lateinern unterworfen, oder Murad würde im Falle eine Niederlage die eidbrüchige Stadt erobern. Konstantinopel konnte nur verlieren. Aber Loukas konnte den Bettel nicht einfach hinwerfen, denn nur er wusste, was zu tun war und wie es weiterging. Sie verstanden allesamt nichts von Staatsgeschäften, diese naiven Träumer. »Was soll ich denn tun, Eirene? Ich kann schon um unserer Kinder willen nicht den Staat diesem minderbemittelten Kaiser, den Flachköpfen, den Korrupten, den Gaunern, Ehrgeizlingen ohne Verantwortung und Abenteurern überlassen!« Traurig stand er da, als er das müde sagte, verletzt und schön zugleich, dass sie ihn nur in den Arm nehmen konnte. In dieser Nacht liebten sie sich seit langer Zeit wieder einmal. Und spürten, wie sehr sie einander brauchten.
»Sprich über alles mit mir«, bat sie ihn. »Sonst nehme ich an deinem Leben nicht teil, und wenn ich das nicht tue, dann haben wir kein gemeinsames Leben.«
»Ich will es, aber manchmal bin ich einfach zu erschöpft. In einem glaube mir, ich vertraue Anna, sie findet ihren Weg. Sie ist eben eine Art Martina Laskarina.«
»Weißt du, Loukas, ich bin mir ganz und gar nicht so sicher, ob Martina Laskarina glücklich ist. Ich liebe Anna nicht weniger als du. Erinnere dich, ich wollte unbedingt, dass sie lebt, auch wenn es mein Leben gekostet hätte.«
Da nahm er seine Frau noch einmal in den Arm, überlegte aber schon, wie er es verhindern konnte, dass Nikolaus von Kues eine Audienz beim Kaiser bekam, oder sollte er besser dafür sorgen, dass die Konzilsabgesandten und der päpstliche Legat eine gemeinsame Audienz erhielten? Sollten sie sich doch vor den Augen und Ohren des Kaisers streiten. Johannes entschied sich nicht gern. Vielleicht ließe sich das Unionskonzil auf diese Weise verhindern. Denn eines stand fest,
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