Byzanz
Weite. Schließlich preschten sie auf eine Lichtung. Die Farben der Wiese drohten im Kopf des Fürsten zu explodieren. Das Gelb von Butterblumen und der Purpur der Disteln, die verschiedenen Blautöne des Natternkopfes, des Habichtskrauts und der Luzerne wetteiferten mit dem Gelb und Weiß der Kamille und hoben sich zwischen den wie geklöppelt wirkenden Blüten des Bärenklaus und dem in der Sonne verblassenden Grün des Grases und des Schachtelhalms ab. In die Augen stach das Rot des Adonis, der Stockrose und des Klatschmohns. Besonders der Klatschmohn zog seine Aufmerksamkeit auf sich, erschien er ihm doch als ein Symbol der Liebe, ein Zeichen für Freude und Leid, aber auch für das Rot der Lippen und das Schwarz am Grund des Kelches, als die Unergründlichkeit der Heimkehr, als Ort des Verlangens in all dem Rot. Das Zirpen der Grillen erinnerte ihn an den Lärm eines orientalischen Marktes, ein einziger Teppich aus Tönen.
Auf der rechten Längsseite der in etwa rechteckigen Lichtung stand ein hoher gepolsterter Stuhl für die Königin, dahinter eine Bank, auf der ihre Zofen, ihr Beichtvater, der Hofmeister, der Marschall und der Wundscher Platz nehmen würden. Darüber wölbte sich im Wind ein Segel aus weißem Linnen, das man an vier Pfosten als Sonnenschutz über den Platz der Zuschauer gespannt hatte.
Die improvisierte Turnierbahn bestand nur aus den langen Schranken aus rohen Baumstämmen. Ein Pflock rechts und links am Anfang und Ende der Schranken markierten den Start für die Ritter. Vor Alexios lag unbestreitbar der armseligste Turnierplatz, auf dem er je angetreten war. Andererseits beeindruckte ihn die naive, voraussetzungslose Schönheit der Wiese.
Nicht der Kaiser, nicht der Sultan, nicht der Papst vermochten ihm zu befehlen, nur das Leben in seiner unaufwendigen Wirklichkeit, das niemand letztlich zu beherrschen vermochte, nur ihm würde er sich beugen müssen. Plötzlich empfand es Alexios als eine Ehre, an diesem Ort zu kämpfen. So rot wie Klatschmohn, dachte er mit einem wilden Lächeln, ist auch mein Blut. Die Sonne spiegelte spöttisch ihre Strahlen in seiner eisernen Rüstung. Seinem geübten Blick entging nicht, dass man bei der Anlage der Bahn darauf geachtet hatte, dass keiner der Kämpfer von der Sonne geblendet wurde.
Neben den Markierungen lagen die drei stumpfen Lanzen bereit. In diesem Moment traf auch Hunyadi ein. Sein Pferd trug einen roten Federbusch. An seiner Seite lief der weiße Kuvasz. Der Hund gehörte Hunyadi und nicht der Königin. Die Erkenntnis verletzte Alexios, er wusste nicht einmal genau, warum, doch der Stachel saß tief in seiner Eitelkeit. Beide spielten also mit ihm. Nun freute er sich noch mehr auf das Gefecht, denn es gab ihm die Möglichkeit, sich zu revanchieren. Wie würde er sich über die Wunden, die er Hunyadi schlagen würde, amüsieren! Mindestens so sehr, wie es Barbara und den Siebenbürger erheitert hatte, dass er, Alexios, es mit der Zofe trieb. Instinktiv bekreuzigte er sich.
Hunyadi sah prächtig aus in seiner schwarzen Rüstung. Gut gelaunt ob des kleinen Waffengangs lächelte er leutselig in die Runde. Die Fläche seines Schildes war in vier gleiche Felder unterteilt, in denen sich als Motiv ein Rabe und ein Löwe abwechselten, insgesamt also zwei Raben und zwei Löwen. Erst bei näherem Hinsehen erkannte Alexios, dass der Rabe einen Ring mit einem Edelstein im Schnabel hielt.
»Ich steche Euch den Ring aus dem Schnabel des Krächzers, Herr Ritter!«, rief Alexios angriffslustig.
Hunyadi lachte dröhnend. »Wenn ich Euch vom Pferd stoße, werdet Ihr Sterne, aber keine Ringe sehen. Träumt weiter, mein Freund! Der Rabe hat Krallen und einen Schnabel, spitz und scharf wie Schwerter. Den Ring wird er sich nicht nehmen lassen!«
»Wetten wir, Herr Iancu?«
»Gern. Ich habe heute Morgen an Eurer Hand einen Goldring mit einem außergewöhnlich großen blutroten Rubin gesehen.«
»Meint Ihr den?« Alexios zog den Ring unter seinem Harnisch hervor.
»Den will ich, wenn Ihr verliert! Den und nichts anderes.«
Der Fürst überlegte, dann kam ihm ein kleiner, böser Gedanke. »Einverstanden – wenn Ihr dafür den Hund setzt.«
Der Heerführer stutzte. Alexios hatte ins Schwarze getroffen. Auch wenn Johann Hunyadi nicht daran zweifelte, dass es dem Fürsten misslingen würde, den gemalten Ring aus dem Schild zu brechen oder die Zeichnung durch heftige Attacken auf das Bild zu zerstören, widerstrebte es ihm, den Hund, den er sehr zu lieben
Weitere Kostenlose Bücher