Caesar erwacht!
gewütet. Acht Jahre! Warum haben Sie so lange Krieg geführt? Und sind in Länder eingefallen, die Ihnen nicht im Geringsten schaden wollten?“ Stereotype, unkreative Fragen, wie die eines modernen Reporters, bedürfen einer angemessenen Antwort aus grauer Vorzeit. Jo war so naiv und einfach gestrickt in seiner Denkweise. Für ihn war 1 + 1 = 2.
Auch Caesar konnte rechnen und zählte die Opfer auf, die zu Zeiten Alexanders zu beklagen waren, der dennoch die Ehrenbezeichnung „der Große“ tragen durfte! Seine Rechenmethode war viel umfassender und von so erstaunlicher Akribie, dass Jo nur jämmerlich klein beigeben konnte. Jo lernte Subtrahieren mit Caesar: Dezimieren von Völkern durch Hannibal, vor allem römische; durch die Kreuzzüge für seinen friedfertigen Gott; durch Napoleon; durch den 30-Jährigen Krieg; durch die russische Revolution; durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg; den Kalten Krieg, den Vietnam-Krieg, Nahostkriege, Golfkrieg, kleinere Bürgerkriege und sonstige Scharmützel; von weiteren, kriegsähnlichen Auseinandersetzungen und Völker ausrottenden Eroberungen ganz zu schweigen …
„Habe ich etwas ausgelassen? Natürlich, deine heilige Inquisition! Auch wieder im Namen deines friedfertigen Gottes“, fügte er noch spöttisch ein. „Summa summarum: Res ipsa loquitur! In dubio pro reo?“
Jo konnte nicht antworten, so sehr hatte ihn die mathematische Geschichtsstunde ergriffen. Danach meinte der große Mathematiker noch trocken: „Außerdem war das so üblich und notwendig. Jeder ist bei jedem eingefallen. Rom hat oft gehungert. Man musste seine Territorien ausweiten. Nur das hielt ein ganzes Volk am Leben. Übrigens bis zum heutigen Tage. Eure Mittel sind nicht weniger blutig. Ganz im Gegenteil!“
Atemlos lauschte Jo seinen Ausführungen, die er nicht widerlegen konnte.
„Und ein wenig Ruhm und Ehre können auch nicht schaden, um seine Gegner in Schach zu halten …! Frag deine Präsidenten!“, folgte es noch trockener hinterher. „Sic itur ad astra! Filius … Und in diese Zeit.“ Er sah Jo herausfordernd an.
„Dir fliegen gebratene Tauben in den Mund, Filius! Für was kämpfst du?“ Caesar legte den Kopf schief und schaute Jo fast mitleidig an.
Jo riss seine Augen wie so oft weit auf. Er konnte beim besten Willen nicht sagen, für was er kämpfte. Sein Mut hatte ihn verlassen, weitere Weisheiten von sich zu geben, die Caesar wahrscheinlich wieder genüsslich auseinanderpflücken würde.
Der große Krieger setzte sich plötzlich ganz nah an den jungen Mann und legte seinen Arm auf die Lehne des Sofas. Ihn fast umarmend. Jo geriet in den Bann von Caesars Anziehungskraft und kam ordentlich ins Schwitzen.
„Möchtest du sonst noch etwas wissen?“ Er klang für Jo gefährlich drohend.
Jos Kampf war vielleicht das Sammeln von theoretischem Wissen. Gäbe es eine bessere Quelle als die Quelle selbst? Also wagte er einen letzten, kläglichen Anlauf. „Wieso haben Sie sich am 15. März in den Senat begeben, wo doch die Vorzeichen …?“
Caesars Augen blitzten und verengten sich.
Jo erwartete jede Sekunde einen Tobsuchtsanfall und ging duckend in Abwehrstellung.
Stattdessen folgte ein triumphales Plädoyer für Meuchelmörder. „War mein Tod nicht göttlich? Mein junger Freund, hat nicht sogar euer berühmter Shakespeare darüber Verse verfasst? Sein oder nicht Sein! Ein großer Mann sollte einen großen Abgang haben!“ Jetzt lächelte er den jungen Mann belustigt an. „Vorübergehend!“
In seinem Inneren sah es jedoch ganz anders aus. Er würde niemals seine damalige Schwäche zugeben. Schon gar nicht vor dem blutjungen Germanen. Was wusste denn dieser von jahrelangem Kampf und Müdigkeit. Man konnte nicht mittendrin triumphlos abtreten. Es sei denn, das Schicksal … Deshalb gab er inbrünstig Folgendes zum Besten: „Vitam regit fortuna, non sapientia.“
Sein Schlusswort manövrierte den armen Jo endgültig ins Abseits: „Du wärst mir damals ein schöner Germane gewesen! Als Waffe dein Mundwerk. Als Poet allerdings recht brauchbar.“ Belustigt blinzelten seine Augen.
Jo war dem Mann nicht gewachsen. Egal, wie sehr er sich auch Wissen zu vielen Themen angeeignet hatte. Wissen? Eine Anhäufung von Daten, von anderen vermittelt. Die auch nicht dabei gewesen waren. Das hatte er gerade ziemlich hart zu spüren bekommen. Seine Theorien waren alle eingestürzt. Caesar hatte ihm praktische Unterweisungen erteilt, wie er sie nie zuvor erlebt hatte.
Gegen
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