Cafe con Leche
Sachbearbeiter mit seinem Taschenrechner
in den Sinn.
Nein,
nein. Sie erhalten das Geld für ihre Tochter drei Wochen, in voller Höhe, hatte
er mir versichert. Sollten sie dann noch nicht vor Ort sein, wird prozentual
der Tage, die sie länger weg sind, der Unterhalt gekürzt.”
Und
wie hoch ist die Kürzung, wenn wir vier Wochen weg sind?
Der
Sachbearbeiter holte einen Taschenrechner und tippte ein paar Zahlen ein.
Das
ist nicht viel! So circa an die zwanzig Euro, meinte er.
Na
ja, das geht ja noch. Ich war erleichtert.
Erst
wenn sie länger als sechs Wochen unterwegs sind, wird die Zahlung für ihre
Tochter eingestellt, versicherte er mir.
Bin
ich doch ein gutgläubiger Mensch! Vertraue ich doch den Worten des
Sachbearbeiters, unterstützt durch seinen Taschenrechner!
Aber
nun liege ich mal wieder wach in meinem Bett und fühle mich elend und hilflos.
Der Mond ist dick und rund und scheint hell durch die großen Fenster in den
Schlafsaal. Diesmal kann ich den dicken Mond, der mir oft so nahe ist, nicht
genießen. Das Pilgern sollte für Chris und mich ein schönes und wunderbares
Erlebnis werden. Fern ab von all unseren Auseinandersetzungen, die wir zu Hause
haben. Mit ihr den Camino zu gehen, einander besser verstehen zu lernen. Das
war mein Geschenk an sie für ihr bestandenes Abitur. Und jetzt? Jetzt belaste
ich mein Kind mit finanziellen Problemen und kann ihr keine sichere Heimreise
gewähren. Wir haben noch nicht einmal mehr genügend Geld für einen günstigen
Rückflug! Das ist nicht so leicht für mich, das wegzustecken. Wollte ich doch,
dass alles gut geht!
Lieber
Gott, beginne ich mein stilles Gebet. Ich danke dir, dass wir bis hier eine
schöne Pilgerzeit hatten. Ich danke dir für die Kraft, die du mir bis jetzt
gegeben hast, damit ich meinen inneren Schweinehund überwinde. Ich danke dir
auch für all das, was mir jetzt nicht einfällt. Und ich bitte dich innigst,
lass mich nicht durch die Willkür des Amtes missmutig werden!
Meine
Gedanken hören erst auf zu rattern, als ich wieder einschlafe.
18. Juli 2008
Portomarín
— Palas del Rei
Kurz vor sechs Uhr
werde ich wach. Im Schlafsaal herrscht reges Treiben. Viele Pilger sind schon
auf und es wird munter drauflos geplaudert. Mein Kopf hämmert. Mir geht es
nicht gut. In meinem Magen grummelts. Ich kenne das Gefühl. Negative Dinge, die
ohne Vorwarnung in mein Leben platzen, bereiten mir dieses körperliche
Unbehagen.
Blödes
Amt !, denke ich!
Frohen
Mut, Gott ist gut... !, zwitschert mein Stimmchen.
Ich
krieche aus dem Schlafsack. Im Rucksack sind Schmerztabletten. Davon nehme ich
mir zwei. Chris ist inzwischen auch wach. Wir packen unsere Handtücher und
Zahnbürsten und marschieren ins Badezimmer. An den zwei Waschbecken hat sich
eine Schlange gebildet. So stellen wir uns mit der Zahnbürste und dem Handtuch
in der Hand brav an. Nach ungefähr zehn Minuten sind wir mit der Morgentoilette
fertig. Alles, was auf dem Bett herumfliegt, wird in den Rucksack verstaut.
Festzurren, Schlafsack eingerollt, daran gehängt und unser Gepäck für die
nächste Etappe ist fertig. Palas del Rei ist unser heutiges Ziel. Ein Fußmarsch
von sechsundzwanzig Kilometer. Das soll wohl gut zu schaffen sein!
In
der Küche wird erst einmal gefrühstückt. Ich koche Kaffee und Chris bereitet
wieder leckere Baguettes zu. Es schmeckt fast so, wie bei uns die belegten
Brötchen in der Bäckerei. Trotzdem ist das Stangenbrot kein Ersatz dafür.
Draußen ist es nebelig und recht kühl. Christine zieht sich noch eine
langärmelige Bluse über, ich hole meine Strickjacke heraus. An der Eingangstür
treffen wir Marten mit seinem Freund. Die beiden kommen auch aus Deutschland
und sind wie wir auf dem Camino nach Santiago de Compostela unterwegs. Marten
wollte uns gestern in der Küche zwei Flaschen Bier schenken. Aber da wir keinen
Alkohol trinken, ging seine Suche nach einem potenziellen Abnehmer weiter.
„Na?”,
fragt Chris ihn, als wir ins Freie treten.
„Bist
du gestern dein Bier losgeworden?”
„Ich
habe noch zwei Spanier gefunden, die Lust auf ein Bier hatten. Die haben sich
gefreut”, sagt Marten.
„Und
wo geht ihr heute hin?”, frage ich.
„Wir
wollen nach Palas de Rei. Aber wir warten noch auf einen Freund. Der hat in
einer kleinen Pension übernachtet. Er wollte mal Ruhe und Abstand von allem
haben.”
Während
Chris sich noch mit den beiden unterhält, setze ich mich ein Stück weiter auf
eine Bank und binde mir die Schuhe
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