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Cantz schoen clever

Cantz schoen clever

Titel: Cantz schoen clever Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Cantz
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Vereinsklamotten anziehen. Und auch sonst habe ich viele Gemeinsamkeiten zwischen Fußballspielen und Gottesdiensten entdeckt: die gemeinsame Hoffnung, die verbindenden Gesänge, der in den Himmel gereckte Pokal. Es gibt natürlich auch Unterschiede: So riecht der Rauch in der Kirche nicht nach Feuerwerkskörpern, sondern nach Myrrhe. Außerdem gibt es keinen Abpfiff, sondern ein »Gehet hin in Frieden«. Und es werden Wein und Wasser statt Bier und Bratwurst gereicht.
    Ob im Fußball oder in der Religion: Der Mensch braucht Orientierung. Das war schon immer so. Auch in Zeiten, als es noch kein Navi gab. Irgendjemand muss einem ja sagen, wo es langgeht. Die meisten Menschen glauben deshalb an eine höhere Macht, die sie leitet, die auf sie aufpasst und in deren Hände sie ihr Schicksal legen können. Ob in Europa, im hintersten Kirgisien, auf den Seychellen oder in der afrikanischen Savanne: Überall auf der Welt glauben wir an Kräfte, die uns Schutz, Geborgenheit und Halt bieten. Und wir geben diesen Kräften Namen: Gott, Manitu, Jahwe, Allah, Shiva oder Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer. Der deutsche Schriftsteller und Nobelpreisträger Heinrich Böll fand sogar eine glaubensübergreifende Allzweckbezeichnung für diese überirdische Instanz, mit der alle leben können.
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    WIE GEIL IST DAS DENN?
    In Heinrich Bölls satirischer Kurzgeschichte Doktor Murkes gesammeltes Schweigen muss Rundfunkmitarbeiter Dr. Murke aus zwei Radiovorträgen eines bekannten Buchautors achtundzwanzigmal das Wort »Gott« herausschneiden und durch die Formulierung »jenes höhere Wesen, das wir verehren« ersetzen, da dem Autor über Nacht »religiöse Bedenken« gekommen sind.
    Nachdem fünfzehnmal »jenes höhere Wesen, das wirverehren« (zehn Nominative, fünf Akkusative), siebenmal »jenes höheren Wesens, das wir verehren« (Genitiv) und fünfmal »jenem höheren Wesen, das wir verehren« (Dativ) zum Einsatz kamen, löst Dr. Murke auch das letzte Problem: Der Vokativ »O du höheres Wesen, das wir verehren« ersetzt das vormals schlichte »O Gott«.
    Bölls schöne Erzählung wurde 1964 verfilmt. Die Hauptrolle spielte der Kabarettist Dieter Hildebrandt. Leider finden sich auf dem Soundtrack weder das Lied Biene Maja des tschechischen Schlagersängers Karel Jenes höhere Wesen, das wir verehren, noch I Jenes höhere Wesen, das wir verehren, you, Babe von Sonny and Cher oder Still Jenes höhere Wesen, das wir verehren, the Blues von Gary Moore.
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    Bei uns zu Hause sprach niemand von einem »höheren Wesen, das wir verehren«. Bei uns gab es ganz klassisch einfach nur: Gott. Den lieben Gott mit dem Rauschebart und dem weißen Umhang. So, wie ich ihn mir als Kind vorgestellt habe. Mit ihm wurde mir die Welt erklärt. Einem Achtjährigen kann man zwar schon mit Urknall, Eiszeit und Kontinentalplatten-Verschiebung kommen. Aber uns Menschen interessieren ja nicht nur die Fakten, sondern vor allem das Mysterium dahinter. Die Schöpfungsgeschichte fand ich schon immer spannend: Tag und Nacht, Himmel und Erde, das Meer, die Pflanzen, Sonne, Mond und Sterne, die Tiere und die Menschen – das alles hat Gott erschaffen! In nur sechs Tagen! Als Ein-Mann-Betrieb! Dafür müsste man heute zig Fachwerkstätten beauftragen, und die wären trotzdem nicht so schnell. Sie würden wahrscheinlich zwar auch behaupten, dass sie nur sechs Tagebrauchen, aber noch Wochen später sagen: » Morgen werden wir fertig.«
    Ich habe mich als Kind oft gefragt: Wie hat Gott das hinbekommen, in so kurzer Zeit eine ganze Welt zu erschaffen? Wenn mein Papa schon drei Wochen brauchte, um mein Kettcar zu reparieren? Gut, Gott wollte wahrscheinlich unbedingt bis Samstagnachmittag fertig sein, weil er sonst die Sportschau verpasst hätte, aber trotzdem blieb die Frage: Wie machte er das? Und dann bin ich drauf gekommen: Er musste in den Baumarkt gegangen sein – frei nach dem Motto »Urbi et OBI «. Und ich stellte mir vor, wie der liebe Gott den Baumarkt im Kölner Stadtteil Porz betritt, an der Info-Theke einen kompetenten Mitarbeiter findet (hey, ich hab nie behauptet, dass die Geschichte realistisch ist) und sagt:
    »Mein Freund, ich brauche Lampen. Aber nicht so Energiespar-Scheiß, sondern richtig helle!«
    Der Mitarbeiter weiß Rat: »Wir haben da einen Baustrahler im Angebot, 500 Watt, 19,90.«
    »Nee«, sagt Gott, »das reicht nicht. Ich brauche was Helleres. So hell wie möglich.«
    »So hell wie möglich? Was wollen Sie denn damit

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