Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
braunen Augen so nahe waren?
»Äh, das war ein ... ich glaube, das Ding heißt Phlat Ball. So einer, den man wie einen Pfannkuchen zusammendrückt, und wenn man ihn wirft, dann ploppt er auf und ist wieder ein Ball.«
Sie sah ihn skeptisch an. Offenbar versuchte sie sich vorzustellen, wie viele und welche Anwendungsmöglichkeiten Ludwig für dieses Spielzeug finden würde.
Diesmal war Monas Tochter Samantha besser vorbereitet: Sie drückte ihm einfach die Hand, ohne den Blick auf seine weniger schmeichelhaften Körperpartien zu richten.
Hach, sie hatte dieselben Augen wie ihre Mutter. Wer brachte es über sich, diese junge Göttin zur alleinerziehenden Mutter zu machen? Carl konnte es nicht fassen. Bis sie den Mund aufmachte.
»Dann wollen wir doch hoffen, Carl, dass du dieses Mal nicht in die Soße tropfst«, sagte sie und lachte tief und deplatziert.
Carl hätte gern mitgelacht, schaffte die Tonlage aber nicht.
Das Essen sollte sofort beginnen, und Carl war einsatzbereit. Vier gute Pillen aus der Apotheke hatten der Darmgymnastik ein Ende bereitet, und der Kopf war klar und bereit zum Widerstand.
»Na, Ludwig«, sagte er. »Wie findest du den Phlat Ball?«
Der Junge antwortete nicht, vielleicht, weil ihm zwei Handvoll Pommes frites quer im Mund steckten.
»Er hat ihn gleich beim ersten Mal aus dem Fenster geschleudert«, antwortete seine Mutter. »Du musst ihn draußen im Garten suchen, wenn wir gegessen haben, Ludwig, hörst du?«
Auch darauf antwortete der Junge nicht. Er war also zumindest konsequent.
Carl sah hinüber zu Mona, die nur die Achseln zuckte. Offenbar war das alles noch Bestandteil der Prüfung.
»Als du angeschossen wurdest, ist da aus dem Loch was vom Gehirn ausgelaufen?«, fragte der Junge nach einem weiteren Fuder Pommes. Er deutete auf Carls Narbe.
»Nur ein bisschen«, antwortete der. »Deshalb bin ich jetzt nur noch doppelt so schlau wie unser Staatsminister.«
»Das sagt nun nicht besonders viel«, griente die Mutter von der Seite.
»Ich bin gut in Mathe«, sagte der Junge, »du auch?« Zum ersten Mal richtete er seine klaren Augen direkt auf Carl. Kontaktaufnahme nannte man das wohl.
»Ein absoluter Crack«, log Carl.
»Kennst du den mit 1089?«, fragte der Junge.
Dass der überhaupt so eine hohe Zahl nennen konnte, wunderte sich Carl. Wie alt war er, bitte schön? Fünf?
»Vielleicht solltest du ein Blatt Papier benutzen, Carl.« Mona holte einen Block und einen Bleistift aus einer Schublade des Sekretärs.
»Okay«, sagte der Junge. »Nimm irgendeine dreistellige Zahl und schreib sie auf.«
Dreistellig. Woher zum Teufel kannte ein Fünfjähriger das Wort?
Carl nickte und schrieb 367.
»Jetzt dreh die Zahl um.«
»Dreh sie um, wie meinst du das?«
»Na ja, du schreibst einfach 763, ist doch klar, oder? Bist du sicher, dass nicht mehr Gehirnmasse ausgelaufen ist, als du weißt?«, fragte die zauberhafte Mutter des Jungen.
Carl schrieb 763.
»Dann zieh die kleinere Zahl von der größeren ab«, befahl das blond gelockte Genie.
763 minus 367. Carl hielt die Hand vor das Blatt, damit niemand sehen konnte, dass er das mit dem Subtrahieren noch immer so machte, wie er es in der dritten Klasse gelernt hatte.
»Was kommt raus?« Ludwigs Augen leuchteten.
»Äh, 396, oder?«
»Dann dreh die Zahl um und zähl sie zusammen mit 396. Was kommt raus?«
»693 plus 396, meinst du das? Was dabei rauskommt?«
»Ja.«
Carl addierte die Zahlen und schirmte das Manöver wieder mit der Hand ab.
»Da kommt 1089 raus«, sagte er endlich.
Der Junge brüllte vor Lachen, als Carl aufblickte. Er wusste selbst, wie verblüfft er aussah.
»Das ist ja 'n Ding, Ludwig! Ist es ganz egal, mit welcher Zahl ich anfange? Am Ende kommt immer 1089 raus?«
Der Junge sah enttäuscht aus. »Ja, hab ich doch gesagt, oder? Aber wenn deine Anfangszahl zum Beispiel 102 ist, dann hättest du nach der ersten Subtraktion 99. Und dann darfst du nicht 99 schreiben, sondern 099. Die Zahl muss immer dreistellig sein, denk dran.«
Carl nickte bedächtig.
»Cleveres Bürschchen«, sagte er und lächelte Samantha an. »Das hat er natürlich von seiner Mutter.«
Darauf antwortete sie nicht. Also hatte er wohl recht.
»Samantha gehört zu den begabtesten Mathematikern des Landes. Aber es deutet einiges darauf hin, dass Ludwig noch besser wird«, erklärte Mona und reichte Carl den Lachs.
Okay, Mutter und Sohn, offenbar aus dem gleichen Holz geschnitzt. Fünfzehn Teile Begabung, zehn Teile Pfeffer im
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