Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
Zweck erfüllt.«
»Von wem stammen die Abdrücke?«
»Der eine von Anker Henningsen!«
Carl riss die Augen auf und sah kurz Hardys misstrauisches Gesicht vor sich. Hörte die Verbitterung in der Stimme, mit der er über Ankers Kokainkonsum gesprochen hatte.
An der Stelle reichte Laursen Carl noch einmal die Bierdose, dabei sah er ihn direkt an.
»Und der andere Fingerabdruck stammt von dir, Carl.«
16
August 1987
C urt Wad nahm Netes Brief abwägend in die Hand. Schließlich schlitzte er den Umschlag auf, mit einer Gleichgültigkeit, als handelte es sich um Reklame einer pharmazeutischen Firma.
Nete Hermansen hatte einmal zu denen gehört, bei denen es sich schlicht angeboten hatte, dem Drang nach Grenzüberschreitung nachzugeben. Aber seitdem hatte es Dutzende anderer solcher Fälle gegeben. Warum sich also überhaupt noch mit diesem Bauernmädchen beschäftigen? Was konnten ihn ihre Ansichten und Gedanken interessieren?
Er las den Brief zweimal und legte ihn dann lächelnd zur Seite.
Diese kleine Sau, das hatte er nicht erwartet. Redete von Almosen und Vergebung. Aber warum sollte er ihr auch nur ein Wort glauben?
»Netter Versuch, Nete Hermansen«, sagte er laut. »Da werde ich dir glatt mal ein bisschen auf den Zahn fühlen.«
Er schob die oberste Schreibtischschublade so weit zurück, bis aus einer Ecke des Tischs ein leises Klicken zu hören war. Dann hob er die Platte leicht an, sodass sie nachgab, zur Seite glitt und den zentimeterhohen Hohlraum freigab, in dem er sein unentbehrliches Adress- und Telefonverzeichnis aufbewahrte.
Er schlug eine der ersten Seiten auf, wählte eine Nummer und nannte seinen Namen.
»Ich benötige eine Personennummer, können Sie mir da weiterhelfen? Die Nummer einer Nete Hermansen, möglicherweise erfasst unter ihrem Ehenamen Rosen. Wohnhaft in Kopenhagen, Nørrebro, Peblinge Dossering 32, vierter Stock. Ja, das ist sie, ganz genau. Sie erinnern sich an sie? Ja, der Mann war fähig, obschon ich glaube, dass ihn seine Urteilskraft in den letzten Jahren in gewissen Angelegenheiten im Stich ließ. Sie haben die Nummer schon gefunden? Na, das ging ja schnell.«
Er notierte sich Nete Rosens Personennummer, bedankte sich und erinnerte seinen Kontaktmann daran, dass er sich bei Bedarf mit dem größten Vergnügen erkenntlich zeigen würde. So war das bei Bruderschaften.
Dann schlug er eine weitere Nummer nach, wählte, legte das Verzeichnis an seinen Platz und schob die Schreibtischplatte zurück, bis das Klicken zu hören war.
»Hallo Svenne, hier ist Curt Wad«, sagte er, als am anderen Ende abgenommen wurde. »Ich brauche Informationen über eine Nete Rosen. Ich habe hier ihre Personennummer. Meinen Informationen zufolge wird sie derzeit in einem Krankenhaus behandelt, und ich möchte dich bitten, dies zu überprüfen. Ja, vermutlich in Kopenhagen. Wie viel Zeit du hast, um das herauszufinden? Tja, wenn du mir noch heute Bescheid geben könntest, wäre ich sehr froh. Du versuchst es? Prima! Vielen Dank.«
Anschließend lehnte er sich zurück und las den Brief noch einmal. Er war erstaunlich gut formuliert und völlig fehlerfrei. Selbst die Zeichensetzung ließ nichts zu wünschen übrig. Zweifellos hatte ihr jemand geholfen. Als könnte sie ihn damit hinters Licht führen.
Er lächelte schwach. Der Gedanke, dass ihr der Anwalt geholfen hatte, war naheliegend. Stand da nicht, der Anwalt würde an dem Treffen teilnehmen, wenn Curt die Einladung annähme?
Jetzt lachte er laut auf. Was für eine absurde Idee!
»Du scheinst dich ja prächtig zu amüsieren, Curt.«
Er drehte sich zu seiner Frau um und schüttelte leicht den Kopf.
»Ich habe einfach gute Laune«, sagte er, und als sie zu ihm trat, zog er sie an sich und umfasste ihre Taille.
»Na, dazu hast du ja auch allen Grund, mein Lieber. Es läuft doch alles vortrefflich bei dir.«
Curt Wad nickte. Er selbst war ebenfalls ziemlich zufrieden.
Als Curts Vater aufhörte, hatte Curt seine Praxis und die Patientinnen übernommen, dazu sämtliche Krankenakten und Adresskarteien der beiden Vorgängerorganisationen ›Komitee gegen Unzucht‹ und ›Die Dänengesellschaft‹. Für Curt lauter wichtige Dokumente, in den falschen Händen der reinste Sprengstoff. Und dabei waren die Karteien noch nicht mal halb so brisant wie die Mission selbst, die man ihm anvertraut hatte: den Geheimen Kampf.
Diese Mission bestand nicht allein darin, möglichst viele Schwangere auf den Behandlungsstuhl zu bekommen, deren Embryos
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