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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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buchstäblich an — wir waren auf der Fahrt zum Flugplatz und er hatte bis
jetzt noch immer kein einziges Wort an mich gerichtet -, ich bat ihn, zu
überlegen, ob er wirklich glaube; ob der ursprünglich ehrliche Glaube an das
System, dem er gedient hatte, ihm in diesem Augenblick noch möglich sei.«
    Nun saß
Smiley eine ganze Weile schweigend da. »Ich hatte meine ganze Psychologie in
den Wind geschlagen; meine berufliche Technik ebenfalls. Sie können sich
vorstellen, was Control sagte. Dennoch, mein Bericht erheiterte ihn; er hörte
gern von den Schwächen des Menschen. Besonders von den meinen, aus bestimmten
Gründen.« Er hatte seine sachliche Art wiedergewonnen. »Das war's also. Als die
Maschine bereitstand, ging ich mit ihm an Bord und flog ein Stück mit: damals
gab's noch nicht lauter Jetflüge. Er entglitt mir, und ich hatte keine
Möglichkeit, ihn aufzuhalten. Das Reden hatte ich aufgegeben, aber ich war da,
falls er es sich anders überlegen sollte. Das tat er nicht. Er würde lieber
sterben als mir geben, was ich wollte; er würde lieber sterben als das
politische System verleugnen, dem er sich verschworen hatte. Das letzte, was
ich meines Wissens bis heute von ihm sah, war sein ausdrucksloses Gesicht im
Rahmen des Kabinenfensters, das mir nachsah, als ich die; Gangway
hinunterschritt. Ein paar sehr russisch aussehende Burschen waren zugestiegen
und saßen nun hinter ihm, und es hatte wirklich keinen Sinn, daß ich noch
länger blieb. Ich flog nach Hause, und Control sagte: >Ich hoffe zu Gott,
daß sie ihn abknallen<, und labte mich mit einer Tasse Tee. Dieses
widerliche chinesische Kraut, das er immer trinkt, Zitronenjasmin oder so, er
läßt es im Kramladen um die Ecke holen. Ich meine, er ließ. Dann schickte er
mich zwangsweise für drei Monate in Urlaub. >Ich mag es, wenn Sie
zweifeln<, sagte er. >Daran sehe ich, wo Sie stehen. Aber machen Sie
keinen Kult daraus, Sie werden sonst zur Nervensäge. < Es war eine Warnung.
Ich beherzigte sie. Er sagte auch, ich solle aufhören, mir dauernd wegen der
Amerikaner Gedanken zu machen; er versicherte mir, daß er selber kaum jemals an
sie denke.«
    Guillam
blickte ihn an und wartete auf die Lösung. »Aber wie erklären Sie es sich?«
fragte er. »Dachte Karla jemals wirklich daran zu bleiben?«
    »Ich bin
überzeugt, daß es ihm nicht im Traum einfiel«, sagte Smiley angewidert. »Ich
habe mich wie ein armer Irrer benommen. Der Archetypus eines knieweichen
westlichen Liberalen. Aber ich möchte trotz allem lieber nach meiner Fasson den
Narren spielen, als nach der seinen. Ich bin überzeugt«, wiederholte er, »daß
ihn weder meine Argumente noch seine prekäre Lage gegenüber der Moskauer
Zentrale letztlich auch nur im geringsten beeinflußten. Vermutlich hat er
während dieser Nacht einen Plan ausgearbeitet, wie er nach seiner Rückkehr nun
seinerseits Rudnew abschießen könnte. Rudnew wurde übrigens wirklich einen
Monat später erschossen. Karla bekam Rudnews Job und machte sich daran, seine
alten Agenten wieder zu aktivieren. Unter ihnen zweifellos auch Gerald.
Komisch, wenn man bedenkt, daß er vielleicht die ganze Zeit über mich angesehen
und dabei an Gerald gedacht hat. Vermutlich haben die beiden sich später
darüber halb totgelacht.«
    Die
Episode habe eine weitere Folge gezeitigt, sagte Smiley. Seit seinem Abenteuer
in San Francisco habe Karla nie wieder einen Geheimsender angefaßt. Kam für ihn
nicht mehr in Frage. Er strich es ein für allemal von seiner Liste:
»Botschaftsverbindungen sind etwas anderes. Aber seine Außenagenten müssen die
Finger davon lassen. Und Anns Feuerzeug hat er noch immer.«
    »Ihr
Feuerzeug«, berichtigte Guillam.
    »Ja. Ja,
meines. Natürlich. Sagen Sie«, fuhr er fort, als der Kellner mit dem Geld
abgezogen war, »hat Tarr sich auf irgend jemanden besonders bezogen, als er
diese unschöne Anspielung auf Ann machte?«
    »Hat er
leider. Ja.«
    »Das
Gerücht ist also schon so konkret?« erkundigte sich Smiley.
    »Und
bereits überallhin gedrungen? Sogar bis zu Tarr?«
    »Ja.«
    »Und was
besagt es, ganz genau?«
    »Daß Bill
Haydon ein Verhältnis mit Ann Smiley hatte«, sagte Guillam und spürte, wie ihn
jene Kälte überkam, die sein Schutzmantel war, wenn er schlechte Nachrichten
für jemanden hatte: Sie sind hochgegangen; Sie sind geschaßt; Sie liegen im
Sterben.
    »Ah; Aha.
Ja. Vielen Dank.« Verlegenes Schweigen.
    »Und gab
es, gibt es eine Mrs. Gerstmann?« fragte Guillam. »Karla war früher einmal

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