Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
Vom Netzwerk:
wollte ich auch nicht. Ich
hatte ernsthaft daran gedacht, mich von Ann zu trennen, ich hielt den
Augenblick für gekommen. Eine Rückkehr sei reine Don Quichotterie, sagte ich,
ohne jeden praktischen Wert für seine Frau, ganz im Gegenteil. Sie würde
geächtet werden; im günstigsten Fall würde man ihr erlauben, ihn vor seiner
Erschießung noch kurz zu sehen. Wenn er dagegen mit uns gemeinsame Sache
machte, könnten wir sie vielleicht austauschen; erinnern Sie sich, wir hatten
damals große Vorräte, und einiges davon ging als Tauschware nach Rußland
zurück; warum um alles in der Welt wir es allerdings zu diesem Zweck hätten
verwenden sollen, geht über meinen Verstand. Bestimmt, sagte ich, würde sie ihn
lieber sicher und gesund im Westen wissen als erschossen oder in Sibirien dem
Hungertod ausgeliefert. Ich ritt auf dem Thema herum: sein Gesichtsausdruck
ermutigte mich dazu. Ich hätte schwören können, daß ich zu ihm durchdringen
würde, daß ich den Sprung in seiner Rüstung entdeckt hatte: während ich in
Wirklichkeit - in Wirklichkeit nur ihm zeigte, wo meine Rüstung einen Sprung
hatte. Und als ich Sibirien erwähnte, hatte ich eine wunde Stelle berührt. Ich
spürte es wie einen Klumpen in meiner eigenen Kehle, ich spürte Gerstmanns
Zurückschaudern. Wirklich kein Wunder«, kommentierte Smiley säuerlich:
»schließlich war er noch vor kurzem ein Sträfling gewesen. Endlich kam auch der
Wärter mit den Zigaretten, einem ganzen Arm voll, und ließ sie auf den
Eisentisch klatschen. Ich zählte das Wechselgeld, gab ihm eine Belohnung, und
fing dabei wiederum Gerstmanns Blick auf; ich bildete mir ein, Belustigung
darin zu lesen, aber ich wußte, daß ich bereits nicht mehr in der Lage war, das
zu beurteilen. Ich stellte fest, daß der Wärter mein Trinkgeld liegengelassen
hatte; vermutlich haßte er die Engländer. Ich riß ein Päckchen auf und bot
Gerstmann eine Zigarette an. >Na los<, sagte ich, >Sie sind doch
Kettenraucher, das ist allgemein bekannt. Und Camels sind Ihre Lieblingsmarke.
< Meine Stimme klang angespannt und albern, aber ich konnte es nicht
ändern. Gerstmann stand auf und bedeutete den Wärtern höflich, daß er in seine
Zelle zurückgebracht werden wolle.«
    Bedächtig
schob Smiley den halb leeren Teller zurück, auf dem sich weiße Fettflocken
gebildet hatten wie Winterfrost. »Ehe er die Zelle verließ, überlegte er es
sich anders; er nahm ein Päckchen Zigaretten und das Feuerzeug vom Tisch, mein
Feuerzeug, ein Geschenk von Ann. >Für George in Liebe von Ann.<
Normalerweise wäre es mir nicht im Traum eingefallen, ihn das Feuerzeug nehmen
zu lassen; aber diese Situation war nicht normal. Ich fand es sogar durchaus
angemessen, daß er ihr Feuerzeug nahm. Ich empfand es, Gott verzeih mir, als
Ausdruck unserer Gemeinsamkeit. Er ließ das Feuerzeug und die Zigaretten in die
Tasche seines roten Kittels fallen und hielt dann die Hände für die Fesseln
hin. Ich sagte: > Zünden Sie sich gleich eine an, wenn Sie wollen.< Ich
sagte zu den Wärtern: >Bitte lassen Sie ihn eine Zigarette anzünden.<
Aber er machte keine Bewegung. >Es ist beabsichtigt, Sie morgen in die
Maschine nach Moskau zu setzen, falls wir zu keiner Einigung gelangen<,
fügte ich hinzu. Er überhörte es. Ich sah zu, wie der Wärter ihn hinausführte,
dann kehrte ich in mein Hotel zurück, irgendwer fuhr mich hin, ich könnte bis
heute nicht sagen, wer. Ich wußte nicht mehr, was ich empfand. Ich war
verwirrter und kränker, als ich mir selber eingestehen wollte. Ich aß
spärlich, trank zu viel und hatte hohes Fieber. Ich lag auf meinem Bett,
schwitzte und träumte von Gerstmann. Ich wünschte mir sehnlichst, er möge
bleiben. In meinem Fieberwahn hatte ich es mir in den Kopf gesetzt, ihn
zurückzuhalten, sein Leben neu zu gestalten, ihm wenn möglich zusammen mit
seiner Frau eine Idylle zu schaffen. Ihn frei zu machen, ihn ein für allemal
aus dem Krieg hereinzuholen. Ich wünschte mir verzweifelt, daß er nicht
zurückgehen würde. Wieder blickte er mit dem Ausdruck der Selbstironie auf.
»Was ich hier sage, Peter, bedeutet folgendes: Smiley, nicht Gerstmann hat in
dieser Nacht seine Krisis durchgemacht.«
    »Sie waren
krank«, sagte Guillam wieder.
    »Sagen
wir, müde. Krank oder müde, in jener ganzen Nacht zwischen Aspirin und Chinin
und zähen Traumvorstellungen VOM der
wiedererstandenen Gerstmannschen Ehe, kehrte ein Bild immer wieder. Gerstmann,
auf der Fensterbrüstung, starrt mit seinen regungslosen braunen

Weitere Kostenlose Bücher