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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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sein elternloses
Aussehen, das ich unwiderstehlich finde. Übrigens: wenn er auch aus sämtlichen
Bestandteilen Europas zusammengesetzt ist, täuschen Sie sich nicht: die
komplette Mischung ist aus unserem Schrot und Korn und uns treu ergeben. Zur
Zeit ist er ein bißchen aus dem Tritt, er hat nämlich soeben entdeckt, daß es
außerhalb des Spielfelds auch noch eine Welt gibt, und diese Welt bin ich.
    Aber
zuerst sollen Sie erfahren, wie ich ihn kennenlernte. Wie Sie wissen,
entspricht es meinen Gewohnheiten (und Ihrer Anweisung), von Zeit zu Zeit
arabische Tracht anzulegen und hinunter zu den Bazaren zu gehen, wo ich mich zu
den großen Ungewaschenen setze und den Worten ihrer Propheten lausche, auf daß
ich sie besser fertigmachen könne, wenn es soweit ist. Der Juju-Mann en vogue dieses
Abends war direkt von Mütterchen Rußlands Busen herbeigeeilt: ein gewisser
Professor Chlebnikow, zur Zeit an der Sowjetischen Botschaft in London, ein
fideler, recht mitreißender kleiner Bursche, der außer dem üblichen Unsinn
auch ein paar ganz witzige Dinge von sich gab. Der genannte Bazar war ein
Debattierclub, genannt die Volksfreunde, unsere Konkurrenz, mein lieber Fan,
und Ihnen bereits von einigen meiner früheren Streifzüge her bekannt. Nach der
Predigt wurde brutal proletarischer Kaffee gereicht, dazu ein grauenhaft demokratisches
Brötchen, und ich bemerkte diesen großen Burschen, der allein ganz hinten im
Saal saß und offenbar zu schüchtern war, um sich zu den anderen zu gesellen.
Sein Gesicht war mir vom Kricketplatz her bekannt, und es stellte sich heraus,
daß wir gemeinsam in der College-Mannschaft gespielt hatten, ohne je ein Wort
zu wechseln. Ich weiß nicht recht, wie ich ihn beschreiben soll. Er hat
Persönlichkeit, Fan. Ich bin jetzt ganz ernst.« Hier wurde die Schrift, bisher
verkrampft und stelzig, breiter, als der Schreiber auf Touren kam:
    »Er hat
die alles beherrschende Gelassenheit. Hartköpfig, im wahren Sinn des Wortes.
Einer von den Stillen im Lande, die ihr Team führen, ohne daß man es merkt.
Fan, Sie wissen, wie schwer es mir fällt, zu handeln. Sie müssen
mich ständig daran erinnern, meinen Verstand daran erinnern, daß ich mich den
Gefahren des Lebens stellen muß, wenn ich seine Geheimnisse ergründen will. Jim
dagegen handelt aus dem Instinkt... er ist funktionell. . . Er ist meine andere
Hälfte, gemeinsam würden wir einen fabelhaften Menschen ergeben, außer daß
keiner von uns singen kann. Und Fan, kennen Sie das Gefühl, daß man einfach
losziehen und einen neuen Menschen finden muß, oder die eigene Welt geht zum
Teufel?«
    Die
Schrift wurde wieder stetiger.
    »>Yavas
Lagloo<, sage ich, was russisch sein und etwa heißen soll, >Komm in meine
Liebeslaube< oder so ähnlich, und er sagt >Oh, hallo<, was er
vermutlich auch zum Erzengel Gabriel gesagt hätte, wenn der zufällig des Weges
gekommen wäre. >Wo klemmt's ?< sage ich.
    >Nirgends
<, sagt er, nachdem er ungefähr eine Stunde lang nachgedacht hatte.
    >Was
tun Sie dann hier? Wenn's nirgends klemmt, was suchen Sie dann hier?<
    Da grinste
er mich breit und freundlich an, und wir hopsen rüber zum großen Chlebnikow,
schütteln eine Weile seine kleine Hand und vertrollen uns dann in meine
Wohnung. Wo wir trinken. Und trinken. Und Fan, er trank alles, was er fassen
kriegte. Oder vielleicht ich, ich weiß es nicht mehr. Und wie's Tag wird,
wissen Sie, was wir taten? Ich will's Ihnen sagen, Fan. Wir spazierten feierlich
hinunter zu den Sportplätzen, ich setz mich mit einer Stoppuhr auf eine Bank,
Big Jim steigt in seinen Trainingsanzug und reißt zwanzig Runden herunter.
Zwanzig. Ich war völlig erschöpft.
    Wir können
jederzeit zu Ihnen kommen, er wünscht sich nichts Besseres als meine
Gesellschaft oder die meiner gottlosen, göttlichen Freunde. Kurz, er hat mich
zu seinem Mephisto ernannt, und ich fühle mich sehr gebauchkitzelt. Nebenbei
gesagt, er ist Jungfrau, ungefähr einsachtzig groß, und von derselben Firma
hergestellt, die die Hünengräber fabriziert hat. Keine Angst!« Danach gab die
Akte wieder nichts mehr her. Smiley richtete sich auf, blätterte hastig die
Seiten um und suchte ungeduldig nach etwas Handfestem. Die Tutoren beider
Männer versichern (nach zwanzig Jahren), es sei undenkbar, daß die Beziehung
zwischen den beiden >mehr als rein freundschaftlicher Natur< gewesen sei
. . . Haydons Zeugenaussage wurde nie angefordert. . . Jims Tutor bezeichnet
ihn als >intellektuellen Vielfraß nach langem Hungern< und

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