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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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Plastikbecher und rieb sich die rechte
Schulter, als hätte er sie an etwas gestoßen, und der Regen troff aus seinem
Hut. Dann hob sich der Hut, und Roach starrte plötzlich in ein äußerst
grimmiges rotes Gesicht, das im Schatten der Hutkrempe und durch einen braunen,
vom Regen zu zwei Fangzähnen verklebten Schnurrbart noch grimmiger wirkte. Das
übrige Gesicht war kreuz und quer von zackigen Furchen durchzogen, so tief und
verwinkelt, daß Roach in einem seiner Phantasieblitze zu dem Schluß kam, Jim
müsse einmal irgendwo in den Tropen sehr ausgehungert gewesen sein und
inzwischen wieder zugenommen haben. Der linke Arm lag noch immer über der
Brust, die linke Schulter war noch immer zum Hals hochgezogen. Aber die ganze
verdrehte Gestalt verhielt sich regungslos, sah aus wie ein festgefrorenes
Tier: ein Edelhirsch, lautete Roachs optimistische Interpretation, etwas Besonderes.
    »Wer zum
Teufel bist denn du?« fragte eine sehr militärische Stimme.
    »Sir,
Roach, Sir. Ich bin ein Neuer.«
    Das
ziegelrote Gesicht musterte Roach aus dem Hutschatten hervor noch eine Weile.
Dann entspannten sich seine Züge zur großen Erleichterung des Jungen zu einem
wölfischen Grinsen, die linke Hand, die über der rechten Schulter gelegen
hatte, nahm ihr langsames Massieren wieder auf, und gleichzeitig hob die
Rechte den Plastikbecher für einen Schluck.
    »Ein
Neuer, so?« wiederholte Jim, noch immer grinsend, in den Plastikbecher. »Na,
das trifft sich ja großartig.« Dann stand Jim auf, wandte Roach den verkrümmten
Rücken zu und machte sich, wie es schien, an eine gründliche Untersuchung der
vier Beine des Anhängers, eine sehr kritische Untersuchung, einschließlich
mehrmaligen Testens der Aufhängung, mehrmaligen Neigens des seltsam bedeckten
Kopfs und Unterschiebens von Ziegelsteinen in verschiedenen Lagen und an allen
möglichen Stellen. Inzwischen trommelte der Frühlingsregen auf alles herab:
auf Jims Mantel, seinen Hut und das Dach des grünen Anhängers. Und Roach
stellte fest, daß Jims rechte Schulter sich während aller dieser Manöver
überhaupt nicht bewegt hatte, sondern zum Hals hochgeschoben blieb, als steckte
ein Felsbrocken unter dem Regenmantel. Er überlegte daher, ob Jim vielleicht
einen Buckel habe und ob alle Buckligen solche Schmerzen hätten wie Jim. Und ferner
nahm er ganz allgemein zur Kenntnis, daß Leute mit schmerzendem Rücken lange
Schritte machten, es mußte mit dem Gleichgewicht zusammenhängen.
    »Ein Neuer
also? Na, ich bin kein Neuer«, fuhr Jim nun viel
freundlicher fort und zog an einem Bein des Anhängers. »Ich bin ein alter Hase.
So alt wie Rip van Winkle, wenn du's genau wissen willst. Älter. Irgendwelche
Freunde? Hast du Freunde?«
    »Nein,
Sir«, sagte Roach einfach, in dem müden Ton, den Schuljungen immer anschlagen,
wenn sie »nein« sagen und jede positive Reaktion den Fragestellern überlassen.
Von Jim kam jedoch überhaupt keine Reaktion, und Roach vermutete in jäher
Hoffnung in ihm eine verwandte Seele.
    »Mein
Vorname ist Bill«, sagte Roach. »Bill bin ich getauft, aber Mr. Thursgood nennt
mich William.«
    »Bill ist
schon in Ordnung.«
    »Ja, Sir.«
    »Hab' eine
Menge Bills gekannt. Waren alle in Ordnung.« Damit war gewissermaßen die
Bekanntschaft geschlossen. Jim schickte Roach nicht weg, also blieb Roach am
Grabenrand stehen und linste durch seine regenverschmierten Brillengläser
hinunter. Die Ziegel, so stellte er bewundernd fest, waren vom Gurkenbeet
geklaut. Einige waren schon immer ein bißchen locker gewesen, und Jim mußte sie
noch ein wenig mehr gelockert haben. Roach fand es wundervoll, daß jemand, der
gerade erst im Thursgood angekommen war, so kaltblütig sein konnte, sozusagen
die Bausteine der Schule für seine eigenen Zwecke zu klauen, und er fand es
doppelt Wundervoll, daß Jim für seine Wasserversorgung den Hydranten angezapft
hatte, denn dieser Hydrant war Gegenstand einer besonders strengen Schulregel:
Schon das Berühren wurde mit Prügeln bestraft. »He du, Bill. Du hast nicht
vielleicht zufällig so was wie eine Murmel bei dir?«
    »Wie
bitte, Sir, eine was, Sir?« fragte Roach und beklopfte verwirrt seine Taschen.
    »Murmeln,
alter Junge. Runde Glasmurmeln, kleine Kugeln. Spielen Jungens heute nicht mehr
mit Murmeln? Haben wir getan zu meiner Schulzeit.«
    Roach
hatte keine Murmel, aber Kerani in III C besaß eine ganze Sammlung, die per Flugzeug
aus Beirut gekommen war. Er brauchte ungefähr fünfzig Sekunden, um ins
Schulgebäude

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