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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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waren. »Aus Sicherheitsgründen wird
vorgeschlagen«, schrieb Alleline in einem weiteren persönlichen Memorandum an
den Minister, datiert mit dem 8. Februar vor zwei Jahren, »die Finanzierung für Witchcraft absolut getrennt von allen anderen Circusmitteln zu
führen. Bis passende Deckung gefunden werden kann, ersuche ich um direkte
Subventionen aus dem Etat des Schatzamtes anstelle bloßer Zuschüsse an die Geheime
Bewilligung, die zweifellos in angemessener Zeit ihren Weg in die
generelle Rechnungslegung des Circus finden würden. Ich werde
Ihnen persönlich Rechenschaft ablegen.«
    »Genehmigt«,
hatte der Minister eine Woche später geschrieben, »vorbehaltlich...«
    Es gab
keine Vorbehalte. Ein Blick auf die erste Zahlenreihe zeigte Smiley alles, was
er wissen mußte: Bereits bis Mai jenes Jahres, um die Zeit jenes Gesprächs in
Acton, hatte Toby Esterhase persönlich nicht weniger als acht Reisen auf Rechnung
des Witch craft-Budgets unternommen, zwei
nach Paris, zwei nach Den Haag, eine nach Helsinki und drei nach Berlin. In
jedem Fall war als Zweck der Reise kurz und bündig »Produkt-Beschaffung«
angegeben. Zwischen Mai und November, als Control in der Versenkung verschwand,
unternahm er weitere neunzehn. Eine davon führte ihn nach Sofia, eine andere
nach Istanbul. Keine erforderte eine Abwesenheit von mehr als drei vollen
Tagen. Die meisten fanden an Wochenenden statt. Auf mehreren Reisen wurde er
von Bland begleitet. Milde ausgedrückt, hatte Toby Esterhase, wie Smiley nie
ernstlich bezweifelte, in seinen Hals gelogen. Es machte Spaß, daß die Akte
diesen Eindruck bestätigte.
    Smiley
hegte damals Roy Bland gegenüber zwiespältige Gefühle. Als er sie jetzt prüfte,
fand er, daß sich daran nichts geändert hatte. Ein Universitätslehrer hatte ihn
gemeldet, Smiley hatte ihn angeworben; auf erstaunlich ähnliche Weise war
Smiley selber ins Netz geraten. Doch zu Roy Blands Zeiten fachte keine deutsche
Bestie die patriotische Flamme an, und antikommunistische Motive hatte Smiley
immer ein bißchen störend empfunden. Wie Smiley hatte auch Bland keine richtige
Kindheit gehabt. Sein Vater war Dockarbeiter, leidenschaftlicher Gewerkschafter
und Mitglied der Kommunistischen Partei. Die Mutter starb, als Bland noch klein
war. Der Vater haßte Bildung, wie er Autorität haßte, und als Bland ein
gescheiter Junge wurde, setzte sein Vater sich in den Kopf, er habe seinen Sohn
an die verhaßte herrschende Klasse verloren und prügelte ihn halb tot. Bland
kämpfte sich trotzdem aufs Gymnasium durch, und in den Ferien schuftete er sich
krumm, wie Toby sagen würde, um das Schulgeld zu verdienen. Als Smiley ihn in
seiner Tutorenwohnung in Oxford kennenlernte, wirkte er so ausgepowert wie jemand,
der gerade von einer schlimmen Reise zurückgekehrt. Smiley kümmerte sich um ihn
und brachte ihm im Lauf mehrerer Monate behutsam einen Vorschlag nahe, den
Bland annahm, vorwiegend, wie Smiley vermutete, aus Haß auf seinen Vater.
Danach war er Smileys Obhut entzogen. Bland lebte nun von namenlosen
Zuwendungen, arbeitete in der Marx Memorial Library und schrieb linksgerichtete
Artikel für winzige Gazetten, die längst eingegangen wären, wenn der Circus sie
nicht unterstützt hätte. An den Abenden debattierte er bei verräucherten
Meetings in Wirtshäusern und Turnsälen. Den Urlaub verbrachte er in der Nursery, wo ein
Fanatiker namens Thatch Mannequin-Kurse für Tiefenagenten im Auslandseinsatz
abhielt, mit jeweils einem Schüler pro Kurs. Thatch trainierte Bland in allen
Disziplinen und lotste seine progressiven Ansichten behutsam näher an das
marxistische Lager seines Vaters. Genau drei Jahre nach seiner Anwerbung bekam
er, teils wegen seines proletarischen Stammbaums und des väterlichen
Einflusses, in King Street einen Einjahresvertrag als Hilfslektor für
Wirtschaftswissenschaften von der Universität Poznan. Damit war er lanciert.
Von Polen aus bewarb er sich erfolgreich für eine Stelle an der Akademie der
Wissenschaften in Budapest, und in den folgenden acht Jahren lebte er das
Nomadendasein eines kleinen Links- intellektuellen
auf der Suche nach dem wahren Licht, gewann Sympathien, niemals Vertrauen. Er
hielt sich in Prag auf, kehrte nach Polen zurück, lehrte zwei höllische
Semester in Sofia und sechs in Kiew, wo er einen Nervenzusammenbruch erlitt,
den zweiten in zwei Monaten. Wiederum nahm die Nursery ihn auf,
dieses Mal um ihn »auszutrocknen«. Er wurde als sauber entlassen, seine Netze
bekamen andere

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