Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
Vom Netzwerk:
daß Sie uns etwas
vorenthalten!«
    di Salis hatte sich ebenfalls erhoben, stand dicht neben Mr.  Hibbert
und kläffte seine Fragen auf das weiße Haupt des alten Mannes hinunter, als
wäre er bei einem Planspiel über Verhörtechnik in Sarratt.
    »Sie waren sehr freundlich«, sagte Connie überschwenglich zu Doris. »Wir haben wirklich
alles, was wir irgend benötigen könnten, und noch mehr. Ich bin überzeugt, mit der Adelsverleihung wird alles glatt
gehen«, sagte sie, und ihre Stimme triefte von Warnungen zur Vorsicht an di
Salis' Adresse. »Jetzt gehen wir aber, und tausend Dank Ihnen beiden.« Aber diesmal
machte der Alte selber ihr Bemühen zunichte: »Und ein Jahr danach verlor er
auch seinen zweiten Nelson, Gott tröste ihn, seinen kleinen Jungen«, sagte er.
»Er wird ein einsamer Mann sein, unser Drake. Das war sein letzter Brief an
uns, wie, Doris? >Beten Sie für meinen kleinen Nelson, Mr.  Hibbert<,
schrieb er. Und das taten wir. Wollte, daß ich rüberfliege, um das Begräbnis zu
übernehmen. Aber ich konnte nicht, ich weiß nicht warum. Ehrlich gesagt, hab'
ich nie viel dafür übriggehabt, daß man Geld für Begräbnisse ausgibt.«
    Hier stürzte di Salis sich buchstäblich auf seine Beute, und dies mit
wahrhaft furchterregender Jagdlust. Er beugte sich über den alten Mann und war
so in Fahrt, daß er mit seiner fiebrigen kleinen Hand ein Stück des Schals
packte:
    »Ah! Aha! Aber hat er Sie jemals gebeten, für Nelson senior zu beten? Antworten Sie.«
    »Nein«, sagte der Alte nur. »Nein, hat er nicht.«
    »Warum nicht? Natürlich weil er nicht wirklich tot war! In China kann
man auf vielerlei Weise sterben, nicht wahr, und nicht jede ist unbedingt
tödlich! In Ungnade gefallen: ist das nicht das bessere Wort?«
    Seine Quäklaute flogen im Zimmer herum wie häßliche böse Geister.
    »Doris, sie sollen gehen«, sagte der alte Mann ruhig zum Meer. »Sieh
nach dem Fahrer, ja, mein Kind? Bestimmt hätten wir ihn reinholen sollen, aber
es macht nichts.«
    Sie standen in der Diele, um sich zu verabschieden. Der alte Mann war
in seinem Lehnstuhl sitzengeblieben, und Doris hatte die Zimmertür geschlossen.
Manchmal war Connies sechster Sinn erschreckend.
    »Der Name Liese sagt Ihnen wahrscheinlich nichts, wie, Miss  Hibbert?« fragte sie,
während sie ihr Kostüm glattstrich. »In Mr. Kos Lebenslauf wird eine gewisse Liese erwähnt.« Doris verzog ärgerlich
das ungeschminkte Gesicht. »Das ist Mutters Name«, sagte sie. »Sie war deutsch-lutherisch.
Der Schuft hat sogar ihren Namen gestohlen, wie?« Mit Toby Esterhase am Steuer
rasten Connie Sachs und Doc di Salis mit ihren erstaunlichen Neuigkeiten zurück
zu George. Unterwegs jedoch kabbelten sie sich zunächst über di Salis' Mangel an
Zurückhaltung. Besonders Toby Esterhase war empört, und Connie fürchtete
ernstlich, daß der alte Mann an Ko schreiben könnte. Aber bald siegte das
Gewicht ihrer Entdeckung über alle Ängste, und sie langten triumphierend vor
den Toren ihrer geheimen Stadt an.
    In seiner sicheren Burg feierte nun di Salis die Stunde seines Ruhms.
Wieder einmal trommelte er die bleiche Schar seiner Gelben Gefahren zusammen
und setzte sie auf eine ganze Palette von Erkundigungen an, so daß sie unter
dem einen oder anderen Vorwand ganz London heimsuchten und Cambridge dazu. Im
Herzen war di Salis ein Einsiedler. Niemand kannte ihn, außer vielleicht
Connie, und wie Connie ihn nicht mochte, so mochte ihn auch niemand sonst. Er
war ein schlechter Gesellschafter und manchmal lächerlich. Aber an seiner
Jagdleidenschaft hatte niemand je gezweifelt.
    Er durchschnüffelte alte Berichte der »Shanghai University of
Communications«, chinesisch Chiao Tung genannt, deren Studenten nach dem Krieg
von neununddreißig bis fünfundvierzig als militante Kommunisten bekannt waren,
und konzentrierte sein Interesse auf das »Department of Marine Studies«, das in
seinem Lehrplan sowohl Verwaltung wie Schiffsbau hatte. Aus beiden Sparten
sortierte er Listen von führenden Parteimitgliedern vor und nach neunundvierzig
heraus und schwitzte über den spärlichen Angaben zur Person jener, die mit der
Leitung großer Unternehmen betraut wurden, Projekten, die technologisches
Know-how erforderten: vor allem der Werft von Kiangnan, einer großen Sache, aus
der die Kuomintang-Anhänger zu wiederholten Malen hatten ausgemerzt werden
müssen. Nachdem er Listen mit mehreren tausend Namen beisammen hatte, legte er
Akten über alle jene an, von denen man

Weitere Kostenlose Bücher