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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Garnichts.«
    Sie
tastete allein in die Wohnung zurück und ließ die Tür offen, kam blitzschnell
wieder und verschloß zur Sicherheit nicht einmal die Tür. Auf der Feuerleiter
kletterte er voran. Sie hatte eine Schultertasche umgehängt und trug einen
Ledermantel. Sie hatte ihm eine Strickweste mitgebracht, vermutlich Drakes
Weste, denn sie war ihm viel zu klein, aber er zwängte sich trotzdem hinein. Er
leerte den Inhalt seiner Jackentaschen in ihre Handtasche und stopfte die
Jacke in den Müllschlucker. Sie folgte ihm so lautlos, daß er sich zweimal
umsah, ob sie überhaupt noch da war. Als sie im Erdgeschoß angelangt waren,
lugte er durch das Drahtglasfenster und zog seinen Kopf gerade noch rechtzeitig
zurück, als er den Rocker höchstpersönlich, begleitet von einem bleichen
Untergebenen, auf die Portiersloge zumarschieren und seinen Polizeiausweis
vorzeigen sah. Jerry und das Mädchen stiegen weiter abwärts bis zur Tiefgarage,
und Lizzie sagte: »Nehmen wir das rote Kanu.«
    »Rede doch
keinen Blödsinn, wir haben es in der Stadt stehenlassen.«
    Köpf
schüttelnd führte er sie an den Wagen vorbei in ein schmutziges, nicht
überdachtes Gelände voller Abfall und Bauschutt, das dem Hinterhof des Circus
glich. Von dort führte zwischen triefnassen Betonwänden eine steile Treppe
hinab zur Stadt, von schwarzen Ästen überhangen und von der gewundenen
Fahrstraße immer wieder unterbrochen. Die Erschütterung des Treppablaufens
verursachte heftigen Schmerz in seinen Leisten. Als sie das erstemal an die
Fahrstraße kamen, führte Jerry das Mädchen stracks hinüber. Beim zweitenmal
sahen sie in der Ferne das blutrote Blitzen eines Warnlichts, und er zog sie
unter die Bäume, aus dem Scheinwerferkegel eines Polizeiwagens, der mit
Höchstgeschwindigkeit bergab heulte. An der Unterführung fanden sie einen pak-pai, und Jerry gab ihm die Adresse an. »Wo zum Teufel
ist das?« fragte Lizzie.
    »Irgendwo,
wo man sich nicht eintragen muß«, sagte Jerry. »Halt den Mund und laß mich den
Pascha spielen, ja? Wieviel Geld hast du dabei?«
    Sie
öffnete die Tasche und zählte den Inhalt einer dicken Geldbörse nach.
    »Das habe
ich Tiu beim Mah jong abgewonnen«, sagte sie, und aus irgendeinem Grund wußte
er, daß sie wieder einmal schwindelte. Der Fahrer setzte sie am Ende der Gasse
ab, und sie gingen den kurzen Weg bis zu dem niedrigen Gitter zu Fuß. Im Haus
brannten keine Lichter. Als sie zur Tür kamen, flog sie auf und ein Pärchen
flitzte an ihnen vorbei und verschwand im Dunkeln. Sie traten ein, die Tür
schloß sich hinter ihnen, sie folgten einem Lämpchen, das vor ihnen hergetragen
wurde, bis zu einer eleganten Halle, in der Flötenmusik ertönte. Auf dem
geschwungenen Sofa in der Mitte thronte eine adrette chinesische Dame, einen
Stift in der Hand und ein Notizbuch auf dem Schoß, für alle Welt das Muster
einer Chatelaine. Sie sah Jerry und lächelte, sie sah Lizzie, und ihr Lächeln
wurde breiter. »Für die ganze Nacht«, sagte Jerry. »Selbstverständlich«
erwiderte sie.
    Sie
folgten ihr die Treppe hinauf zu einem schmalen Korridor. Durch die offenen
Türen sah man seidene Bettdecken, gedämpftes Licht und Spiegel. Jerry wählte
das am wenigsten wollüstige Zimmer, lehnte das Angebot eines zweiten Mädchens -
aller guten Dinge seien drei - ab, gab der Frau Geld und bestellte eine Flasche
Remy Martin. Lizzie trat hinter ihm ein, warf die Umhängetasche auf das Bett
und brach, noch während die Tür offen war, in ein nervöses Lachen der
Erleichterung aus.
    »Lizzie
Worthington«, verkündete sie, »genau hier, sagten sie, würdest du einmal enden,
du schamloses Weibsstück, und ich will verdammt sein, wenn sie nicht recht
hatten!« Das Zimmer enthielt eine Chaiselongue, und Jerry legte sich darauf,
kreuzte die Beine, hielt das Brandyglas in der Hand und starrte an die Decke.
Lizzie legte sich ins Bett, und eine Weile sprach keiner von ihnen. Das Haus
war sehr still. Dann und wann hörten sie aus dem oberen Stockwerk einen
Lustschrei oder unterdrücktes Lachen, einmal eine Klage. Lizzie ging zum
Fenster und sah hinaus.
    »Was ist
da draußen?« fragte er.
    »Eine
Ziegelmauer, ungefähr drei Dutzend Katzen, und mehrere Stapel von leeren
Kisten.«
    »Neblig?«
    »Gräßlich.«
    Sie
schlenderte ins Badezimmer, kramte herum und kam wieder herein.
    »Altes
Haus«, sagte Jerry ruhig.
    Sie war
sofort auf der Hut.
    »Bist du
nüchtern und zurechnungsfähig?«
    »Warum?«
    »Ich
möchte, daß du mir alles

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