Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Titel: Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
Enttäuschung verraten haben.
    »Sie war so aufgeregt, vermutlich hat sie einfach vergessen, daß du kommst«, erklärte ein anderer, nett aussehender junger Mann, der bereits festgestellt hatte, ich redete nicht wie Fannys Schwester.
    Zu diesem Zeitpunkt stand schon eine Menge junger Leute auf der Veranda im Kreis um mich herum und sperrte Mund und Augen auf. Erleichtert konnte ich endlich entkommen, denn ein plötzlicher Donnerschlag trieb mich hinein. »Zimmer 404«, rief ein Mädchen namens Rosemary.
    Der bereits angekündigte Regen fing an herunterzuprasseln, als ich Fannys unverschlossene Tür betrat. Es war ein kleines, aber einigermaßen hübsches Zimmer. Zumindest hätte es das sein können, wenn Fanny sich darum gekümmert hätte, ihre Kleider aufzuräumen und manchmal Staub zu wischen und zu saugen. Rasch machte ich mich dran, ihr Bett mit den sauberen Laken, die ich in einer Kommode entdeckte, zu beziehen. Das gleichmäßige Rauschen des Regens, Donner und Blitz durch das offene Fenster ließen mich in leichten Schlaf sinken. Troy und ich rannten nebeneinander in die Wolken hinein, kämpften mit Nebelschwaden und fünf alten Männern, die uns jagten. »Du rennst weiter«, befahl Troy und schob mich vorwärts, »und ich werde sie ablenken, indem ich in eine andere Richtung renne.«
    Nein! Nein! schrie ich mit meiner stummen Traumstimme. Aber die fünf alten Männer ließen sich nicht ablenken. Sie folgten dorthin, wohin er rannte, und nicht in meine Richtung! Mit einem Schlag erwachte ich.
    Der Regen hatte das Zimmer, das vorher unerträglich stickig gewesen war, frischer und kühler gemacht. Die staubigen Schatten des späten Nachmittags steigerten die Aussicht und gaben den alten Häusern mit ihren phantasievollen Vorhallen und Veranden einen leicht romantischen Anstrich. Ich fühlte mich verunsichert, während ich mich in dem kleinen Zimmer mit seinen billigen Möbeln umsah. Wo war ich?
    Bevor ich zu einem Entschluß kommen konnte, sprang die Tür auf. Tropfnaß und lauthals mit sich selbst übers Wetter und den Verlust ihres letzten Kleingeldes schimpfend, stürzte meine Schwester Fanny, sechzehn Jahre alt, über den kleinen Zwischenraum, der uns trennte, und warf sich in meine Arme.
    »Heaven, du bist’s! Du bist echt kommen! Hast doch was für mich übrig!« Eine kurze Umarmung, ein Schmatz auf meine Wange, dann stieß sie sich ab und starrte an sich selbst hinunter. »Verdammter Regen, hat mein bestes Kleid ruiniert!« Fanny drehte sich und riß ihr durchgeweichtes Kleid herunter, dann ließ sie sich in einen Sessel fallen und zog ihre schwarzen, halbhohen Plastikstiefel aus, von denen das Wasser tropfte. »Verdammt, meine Füße tun so weh, daß ich’s bis zum Arsch spüre!«
    Ich erstarrte, Kitty tauchte vor meinen Augen auf. Oft hatte sie solche Worte gebraucht, aber letztlich verwendeten alle Leute aus den Tälern und Bergen in den Willies mehr oder weniger dieselben Ausdrücke.
    »Verdammter Agent, treibt mich da raus, wo ich doch vorhatte, dazubleiben und zu warten, bis de auftauchst. Und als ich da war, war alles, was sie wolltn, ich soll lesn. Hab’ ihnen doch schon gesagt, daß ich noch nicht gut lesn kann. Ich möchte eine Rolle mit Tanzen oder Singen! Aber nix ham se mir gegeb’n, nur Fitzel ohne Zeilen… und dafür hab’ ich mir nun ’n halbes Jahr oder länger die Hacken abgelaufen!«
    Fanny hatte schon immer ihre Frustration wie ein Kleidungsstück loswerden können, das man einfach auszieht. Und das tat sie jetzt. In meine Richtung warf sie ihr tollstes Lächeln, das kleine, weiße, ebenmäßige Zähne enthüllte. Sie knipste ihren Charme an. Ach, die glücklichen Casteel-Kinder, die mit ihren gesunden Zähnen geboren wurden!
    »Bringst mir doch was? Tust’s doch? Tom hat’s geschrieb’n und gesagt, daß de Berge von Geld zum Ausgeb’n hast, daß de ihm – ’nen Haufen Weihnachtsgeschenke geschickt hast, und Geschenke für Großpapa. Also, Großpapa braucht kein Geld! Keine Geschenke! Bin die einzige, die alles braucht, was de hergeb’n kannst!«
    Seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie dünner und hübscher geworden und anscheinend auch größer, aber vielleicht wurde ihre Länge nur durch den knappen, schwarzen Slip, den sie trug, betont. Sie wirkte wie ein gespitzter Bleistift. Ihr schwarzes Haar hing in langen, nassen Strähnen um den Kopf, aber sogar naß und zerzaust machte sie noch immer genügend Eindruck, um manche Männeraugen auf sich zu ziehen.

Weitere Kostenlose Bücher