Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
»Was hörst du denn so von deinem Baby?«
Offensichtlich hatte ich das Richtige gewählt, um sie abzulenken. Diesem Thema widmete sie sich mit Feuer und Flamme. »Alte Lady Wise schickt mir Schnappschüsse von mei’m Baby die ganze Zeit. Sie ruft sie Darcy. Ist’s nicht ’n hübsches Ding«, und dann sprang sie auf, wühlte sich durch eine Kommode voller Kleidungsstücke. Aus einem großen, braunen Umschlag zog sie zwanzig oder mehr Schnappschüsse von einem Baby in verschiedenen Entwicklungsstadien. »Kannst sicher sag’n, wer ihre Ma ist, kannste?« fragte Fanny stolz. »Klar hat se auch was von Waysie mitbekommen, nich viel, aber doch was.«
Waysie? Ich lächelte bei dem Gedanken, den guten Reverend »Waysie« zu rufen. Aber Fanny übertrieb nicht. Das kleine Mädchen, auf das ich hinunterschaute, war ein hübsches Kind. Es verblüffte mich, daß ein Kind aus einer so unheiligen Verbindung so gut gelingen konnte. »Sie ist schön, Fanny, wirklich schön, und hat, wie du schon sagtest, die besten Teile deines Aussehens und von dem ihres Vaters geerbt.«
Fannys Gesicht verzerrte sich dramatisch. Sie warf sich auf das Bett, das sie bereits zerknittert hatte. Dabei zerdrückte sie ihr neues rotes Kleid, die Schuhe und die Tasche, die sie dort liegen gelassen hatten, und fing an, zu jammern und zu heulen, während sie das billige Kissen mit beiden Fäusten bearbeitete.
»’s ist gar nich toll hier, Heaven! ’s ist ganz und gar nicht so, wie ich’s mir als junger Hüpfer in den Bergen gedacht hatte! Diese Direktoren und Producer an der Oper mög’n mein Aussehen, aber meine Stimme können se nicht ausstehen! Sag’n mir, sollt’ Gesangsunterricht nehm’n und zur Schule zurückgeh’n und lernen, wie ma spricht. Oder noch besser, sag’n mir gleich, sollt’ Tanz studier’n, dann bräucht’ ich gar nichts sag’n! Bin einen Tag hingegang’n, hab’ ’ne Stunde genommen, um Bewegung zu lernen, wie se mir rieten, aber ’s tat so weh, wenn ich meine Muskeln dehnte, daß ich nie mehr zurückkam! Dachte, alles, was ich wiss’n müßte, wär, die Beine zu spreizen und weißt’s ja, das hab’ ich schon mein ganzes Leben lang gekonnt! Und bei meiner Singstimme hamse so’s Gesicht verzog’n, als ob’s ihre Ohren zerreiß’n täte. Sag’n, se wär zu schrill! Dachte, Country-Sänger könnt’n von nichts zu viel hab’n! Heaven, se sag’n, ich hätt’ ’n tolles Gesicht und ’n Körper, wär aber bloß ’n mediokres Talent – was meinen se denn damit? Wenn ich nur halb schlecht bin, heißt’s doch, ich bin halb gut und könnt’ noch besser wer’n! Tut weh, zuhör’n, wie se über mir lachen. Und jetzt is auch noch mein ganzes Geld futsch, ’s ging so schnell, als ich mich mal dran gewöhnt hatte, es auszugeb’n. Hab’ immer drauf geschlaf’n, hatte Angst, ’s würd’ einer klauen. Wennste nicht gekomm’ wärst, hätt’ ich bloß noch fünfzehn Dollar bis zum Wochenende gehabt. Dann wollt’ ich mich auf die Straß’n stell’n und mein Zeug anbiet’n.«
Ihre Augen schielten rasch zu mir, um meine Reaktion zu testen, und als sie keine bemerkte, schnellte sie herum und rieb sich mit den Fäusten die Tränen fort. Als ob man einen Knopf gedrückt hätte, versiegten ihre Tränen und ihr frustrierter, deprimierter Gesichtsausdruck verschwand. Sie lächelte wieder, ein boshaftes, haßerfülltes Lächeln.
»Stinkst nach Geld jetzt, Heaven, tust’s echt. Wetten, daß das Parfüm, das de trägst, ‘ne Menge kostet. Hab’ auch noch nie so weiches Leder geseh’n als das, aus dem deine Tasche und die Schuhe gemacht sind. Wett’n, daß de zehn Pelzmäntel hast! Wetten, daß de Hunderte Kleider, Tausende Schuhe und Millionen Dollar zum Verbrauchen gekriegt hast! Und kommst daher mit Geschenken, die de für ’n Fünfer kriegst. Magst mich auch nicht echt, nich so wie Tom. Sitzt da und bemitleidest mich, weil ich bloß ’s Schwarze untern Nägeln habe, während du dir ’n ganzen Honigtopf geschnappt hast! Schau dir mein Zimmer an und denk dran, wo du grad herkommst. Oh, hab’ schon von Tom das ganze Zeug gehört, das de mir nich sag’n magst. Hast alles gekriegt, in dem Palast mit fünfzig Zimmern und achtzehn Bädern. Weiß Gott, was de mit allem bloß machst! Hast drei Räume nur für dich allein gekriegt, mit vier Schränken voller Kleider, Handtaschen und Schuhe, dazu noch Schmuck und Pelze und ’ne Collegezeit obendrein. Ich, ich hab’ nichts gekriegt, bloß wehe Füße und ’nen
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