Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
und der alt’n Schachtel Wise gegeb’n!«
Über Fanny und ihre irrationalen Temperamentsausbrüche verblüfft, versuchte ich, Mitgefühl auszudrücken, aber davon wollte sie nichts wissen.
»Versuch nich, mir weiszumach’n, ich hätt’s besser wiss’n müss’n. Hab’s nich besser gewußt, und jetzt tut’s mir leid. Also, das könnts’ de mit deinen ganzen Mäusen schon anfangen, die de irgendwo vergrab’n hast… gehste nach Winnerow zurück und gibst dem Reverend und seim Weib die ganzen Zehntausend, die se mir für se gezahlt haben, wieder! Oder du zahlst ihnen doppelt so viel, aber du mußt mein Baby zurückkaufen!«
Ich war sprachlos. Wonach sie fragte, war unmöglich.
Ihre dunklen Augen fraßen sich in meinen fest. »Hörst mich? Mußt zurück, mein Baby wieder kaufen!«
»Du kannst doch nicht wirklich meinen, was du da sagst! Es gibt keine Möglichkeit für mich, dein Baby zurückzukaufen! Du hast mir erzählt, daß du beim Betreten des Krankenhauses Papiere unterschrieben hast, die eine Adoption gestatteten – «
»Nein, hab’ ich nich! Hab’ nur ’n Wisch unterschrieb’n, daß Mrs. Wise mein Baby behalten kann, bis ich alt genug bin, um mich drum zu kümmern.«
Ich konnte nicht sagen, ob sie log oder nicht. Nie hatte ich Fanny so durchschauen können wie Tom. Trotzdem versuchte ich, vernünftige Gründe anzuführen. »Ich kann nicht dorthin zurückgehen und ein Baby Eltern wegnehmen, die es anbeten und gut dafür sorgen. Du hast mir die Fotos gezeigt, Fanny. Ich kann sehen, daß sie sie genug lieben, um ihr alles zu geben. Aber was kannst du ihr bieten? Ich kann nicht dir und deiner Art zu leben ein hilfloses Baby ausliefern.« Ich breitete die Arme aus, um auf den hoffnungslosen Raum zu deuten, wo eine Babywiege nie hineinpassen würde. »Was würdest du mit einem so kleinen Kind, das so viel fordert, anfangen? Wo würdest du sie lassen, während du rausgehst, um dir deinen Lebensunterhalt zu verdienen? Kannst du mir das verraten?«
»Muß dir gar nichts verraten!« schrie sie mit funkelnden Augen, bevor sie zu weinen anfing. »Hast nur zu tun, was ich sage, oder ich neh’m die Tausend Kröten und flieg’ nach Boston rauf! Und wenn ich dann bei deiner Großmutter Jillian bin, die wie ein mißgebildetes Kind aussieht, werd’ ich ihr mal reinen Wein einschenken, über ihr kleines Engelsmädchen, das von Boston fortlief. Werd’s alles rausspucken, diese Berghütte ohne fließendes Wasser drinnen, und Pa und seine Schwarzbrennerei, und seine fünf Brüder, alle im Knast, und wenn dann Jillian alles von ihrem kleinen Engelsmädchen hört, wie’s leben mußte, bevor’s starb, schaut sie sicher nicht mehr so jung aus. Werd’ ihr von Pa erzähl’n, wie er schon Shirleys Puff besuchte, während er noch mit ihr verheiratet war. Werd’ ihr was von den Gerichtsvollziehern erzähl’n, vom Hinterhaus und vom Gestank und vom Hunger, den ihr kleines Mädchen aushalt’n mußt. Und ich werd’ ihr Bild vom kleinen Mädchen zerkratzen, wie’s auch passiert ist, als sie ohne Arzt entbind’n mußt, nur mit Grannys Hilfe. Und wenn ich dann mit mei’m Red’n fertig bin, mit all den mistigen Sachen über dich, dann wird se dich endlich hass’n – wenn se nich das bißchen Verstand verliert, das se noch übrig hat!«
Wieder konnte ich Fanny nur verblüfft anstarren, betroffen, daß sie mich so sehr hassen konnte, während ich mein Leben lang mein Bestes für sie gegeben hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich jemandem gegenübertreten sollte, der so besessen wirkte wie sie. Nervös fuhr ich mir mit den Händen übers Haar und wollte in Richtung Tür gehen. »Du gehst jetzt nicht, Heaven Leigh Casteel!« Ihr schriller Sarkasmus weckte vertraute Töne in meinen Ohren, für die ich mich schämte. Oh, sie kannte alle Tricks, um mich zutiefst zu verletzen, indem sie mich daran erinnerte, wer ich war und woher ich kam.
Mir war kälter, als ich mich je gefühlt hatte, dabei war es Hochsommer, und das Sommergewitter hatte den heißen Tag nur erfrischt, aber nicht kühler gemacht.
»Werd’ alles tun, um dich zu verletzen – bis du gehst und mein Baby holst und se mir zurückbringst!«
»Du weißt, daß ich das nicht kann«, sagte ich nochmals. Ich hatte Fanny und ihre schrille Stimme so satt, daß ich mir wünschte, nie gekommen zu sein.
»Was kannste denn für mich tun? Eh? Kannste mir alles geb’n, was de selbst bekommen hast? Gibste mir ’n Zimmer in dem Riesenhaus, damit ich auch an dem
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