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Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Titel: Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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spürte ich, daß er verletzt war. Er ähnelte einer zu straff gespannten Geigensaite, die bei der geringsten falschen Berührung reißen würde.
    Und dann, als ich nicht einmal den leisesten Versuch unternahm, seine Arbeit zu stören, legte er seinen Hammer beiseite und drehte sich mit einem gewinnenden Lächeln zu mir. »Ich habe Hunger. Würdest du eine Entschuldigung für mein grobes Benehmen akzeptieren und hierbleiben, um eine Kleinigkeit mit mir zu essen, Heaven Leigh Casteel?«
    »Du kennst meinen Namen!«
    »Sicher kenne ich deinen Namen, auch ich habe schließlich Augen und Ohren.«
    »Hat… hat dir Jillian von mir erzählt?«
    »Nein.«
    »Wer dann?«
    Er schaute auf seine Uhr und schien von der Uhrzeit überrascht. »Merkwürdig, nach meinem Gefühl sind erst ein paar Minuten vergangen, seit ich heute morgen zu arbeiten anfing.« Es klang entschuldigend. »Die Zeit vergeht so schnell, immer wieder bin ich überrascht, wie die Minuten verrinnen, wie schnell so ein Tag vorbei ist. Natürlich hast du recht. Ich vergeude mein Leben, während ich mit x-beliebigen Kinkerlitzchen spiele.« Er fuhr sich mit den Händen durch das Haar und brachte alle Locken, die sich von selbst geordnet hatten, durcheinander. »Hast du je das Gefühl, das Leben sei zu kurz? Daß du alt und schwach bist und der grimmige Schnitter an deine Tür klopft, noch bevor du deine Ideen auch nur zur Hälfte ausgeführt hast?« Er konnte nicht älter als zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig sein. »Nein, so etwas bewegt mich nie«, sagte ich.
    »Ich beneide dich. Ich hatte immer das Gefühl, mit der Zeit – und mit Tony – in einem verrückten Wettlauf zu sein.« Daraufhin lächelte er mich an, was mir fast den Atem verschlug. »Also gut, bleib hier, geh nicht weg. Vergeude meine Zeit.« Jetzt wußte ich nicht, was ich tun sollte. Einerseits sehnte ich mich danach, zu bleiben, andererseits fühlte ich mich verlegen und hatte Angst.
    »Ach, komm jetzt«, stichelte er, »du hast doch, was du wolltest, oder? Und ich bin harmlos. Ich liebe es, in der Küche herumzuwerkeln, obwohl ich mir nicht mehr Zeit als für ein paar zusammengeklappte Sandwiches nehmen kann. Einen festen Zeitplan fürs Essen gibt’s bei mir nicht, ich esse, sobald ich Hunger habe. Leider verbrauche ich die Kalorien fast so schnell wie ich sie reinstopfe, deshalb bin ich ständig hungrig. Also, Heaven, nach kurzer Bestellung werden wir zwei unser erstes gemeinsames Mahl einnehmen.«
    Im gleichen Moment stand in Farthinggale Manor ein Essen bereit, um mir serviert zu werden, aber das alles vergaß ich über dem Spaß, diesen Mann in seine Küche zu begleiten. Sie erinnerte an eine Art Kombüse, wie man sie auf Jachten einbaut, alles in Reichweite und praktisch. Er begann, Türen zu öffnen und rasch Brot und Butter, grünen Salat, Tomaten, Schinken und Käse auf den Tisch zu stellen. Als er beisammen hatte, was er aus den Schränken gewollt hatte, stieß er die Türen mit der Stirn zu, da er beide Hände voll hatte. Aber zuvor konnte ich noch rasch den Schrankinhalt sehen: Jedes Regal war sauber geordnet und voll bis zum Rand. Er besaß hier Essen, daß fünf Casteel-Kindern ein Jahr reichen würde – wenn sie sparsam essen würden. Meine Mithilfe wollte er nicht und bestand darauf, ich sei sein Gast, solle mich hinsetzen und nichts anderes tun als zu reden, um ihn zu unterhalten. Während er die Sandwiches zusammenlegte, versuchte er offensichtlich zwei Dinge unter einen Hut zu bringen: Einerseits war er froh, mich hier zu haben, und gleichzeitig unruhig und introvertiert. Mit dem Sprechen hatte ich Schwierigkeiten, deshalb schlug er vor, ich solle den Tisch decken. Das tat ich rasch und benutzte die Gelegenheit, mich intensiver in der Hütte umzusehen. Von innen betrachtet wirkte sie nicht so klein wie von außen. Seitenflügel sprangen vor und führten in weitere Räume. Das Heim eines Mannes, spärlich möbliert. Nach dem Tischdecken fühlte ich mich besser, so wie es mir mit jeder Beschäftigung gegangen war. Deshalb konnte ich mich umdrehen und ihn ohne Verlegenheit beobachten. Wie merkwürdig es doch war, hier mit ihm zu sein, in einer einsamen Hütte, in die uns Dunkelheit und Nebel einschlossen, als wären wir allein auf der Welt.
    »Gnädigste, das Abendessen ist serviert«, rief er scheu und grinste mich an. Er zog einen Stuhl für mich heran, und ich setzte mich, ehe er eine weiße Serviette wegzog und so sechs Sandwiches auf dem Silbertablett präsentierte.

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