Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel

Titel: Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
APITEL
     
    S ÜNDE UND S ÜNDER
     
     
     
    An einem frühen Juniabend, bevor Jillian und Tony aus London zurückkehrten, hörte ich aus dem Musikzimmer die raschen Notenfolgen eines Klavierstücks von Chopin. Diese Art Musik hatte ich nur im freiwilligen Musikunterricht von Miss Deale jeden Freitag gehört, romantische Melodien, die mich bezauberten, verwirrten und mit einer solchen Sehnsucht erfüllten, daß es mich zu den Stufen und hinunter zog, um Troy am großen Konzertflügel sitzen zu sehen. Seine langen, schlanken Finger glitten mit einer Meisterschaft über die Tasten, daß ich mich wunderte, wie er ein solches Talent vor der Welt hatte verbergen können.
    Sein bloßer Anblick bewegte mich. Seine Schulterhaltung, die Art, wie er den Kopf über die Tasten beugte, die Leidenschaft und Sehnsucht, die er in seine Musik legte, schienen mir so viel zu erzählen. Er war hier, wo er doch wissen mußte, daß ich ihn hören würde. Er brauchte mich, er wußte es nur nicht. Und ich brauchte ihn. Während ich zitternd unter der Türe stand und mich in Nachthemd und Neglige gegen den Rahmen lehnte, ließ ich die Musik auf mich einwirken.
    Auf eine merkwürdige Art wirkte er jünger als Logan und zehnmal so sensibel und verletzlich, wie ein Knabe, der erwartet, auf den ersten Blick geliebt zu werden – also schlug er um sich, um nicht wegen seines Aussehens, seines Reichtums oder seiner Talente geliebt zu werden. Während ich darüber nachdachte, spürte Troy meine Gegenwart und hörte zu spielen auf. Mit einem scheuen Lächeln drehte er sich zu mir um. »Ich habe dich hoffentlich nicht aufgeweckt.«
    »Bitte hör nicht auf.«
    »Ich bin eingerostet, weil ich jetzt nicht mehr jeden Tag spiele.«
    »Warum hast du aufgehört?«
    »Wie du weißt, habe ich kein Klavier in meiner Hütte.«
    »Aber Tony erzählte mir, dies wäre dein Klavier.«
    Sein Lächeln wirkte kurz und gequält. »Mein Bruder möchte mich von dir fernhalten. Seit deiner Ankunft habe ich auf diesem Klavier nicht mehr gespielt.«
    »Warum verbietet er unsere Freundschaft, Troy? Warum?«
    »Ach laß uns nicht darüber sprechen. Laß mich zu Ende spielen, womit ich angefangen habe, und dann werden wir reden.«
    Immer weiter spielte er, bis mir so schwach wurde, daß ich mich hinsetzen mußte. Erst dann hörte das Zittern auf. Während seines Spiels geriet ich in eine romantische Träumerei. Ich stellte mir vor, wir wären wieder beisammen und tanzten so wie in der Nacht meiner Abschlußfeier.
    »Du schläfst ja!« rief er, als das Musikstück beendet war. »War es denn so schlecht?«
    Sofort öffneten sich meine Lider, und ich blickte ihn sanft und träumerisch an. »Ich habe noch nie zuvor eine Musik wie deine gehört. Sie erschreckt mich. Wie kommt es eigentlich, daß du nicht berufsmäßig spielst?«
    Gleichgültig zuckte er mit den Schultern. Seine Haut schimmerte erhitzt durch sein dünnes weißes Hemd. Der Kragen stand offen, so daß ich einen leichten Flaum dunkler Haare auf seiner Brust sehen konnte. Wieder schloß ich die Augen, verwirrt von all den Gefühlen, die mich durchströmten.
    »Ich habe deine Besuche vermißt.« Sanft und zögernd drang seine Stimme zu mir. »Ich weiß, daß ich deine Gefühle in der Nacht von deiner Abschlußfeier verletzt habe. Es tut mir leid, aber ich versuche doch nur, dich zu beschützen.«
    »Und dich selbst«, flüsterte ich bitter. »Du weißt, daß ich nichts weiter als Hinterwäldler-Abfall bin und dich und deine Familie früher oder später in Verlegenheit bringen werde. Ich habe daran gedacht, fortzugehen. Genug Geld habe ich bis jetzt gespart, um mich durchs erste College-Jahr zu bringen. Und wenn ich einen Job finde, kann ich die übrigen Jahre nebenbei arbeiten.«
    Betroffen sagte er etwas, was ich nicht ganz verstehen konnte, obwohl ich meine Lider genug öffnete, um seine Unruhe und Bestürzung zu bemerken. »Das kannst du nicht machen! Tony, Jillian und ich schulden dir eine Menge.«
    »Du schuldest mir überhaupt nichts!« schrie ich und sprang auf. »Laß mich bloß von jetzt an alleine, ich werde deine Privatsphäre nicht mehr stören!«
    Er zuckte zurück, strich sich dann mit seinen langen Fingern durch seine Lockenpracht. Kurz flackerte sein entwaffnendes, knabenhaftes Lächeln auf. »Meine Musik war meine Art von Entschuldigung dafür, daß ich dich im Garten allein gelassen hatte. Mein Geständnis, daß ich dich viel zu lieb gewonnen habe, um nicht einen Versuch zu unternehmen, dich

Weitere Kostenlose Bücher