Cevdet und seine Soehne
standen Schweißperlen auf der Stirn.
Der Minister merkte, wie verdutzt
Refık war, und sagte: »Wenn es recht dick ist, können Sie mir ja eine
Zusammenfassung geben!«
Muhtar warf ein: »Wenn ich mich
nicht täusche, geht es dem jungen Mann vor allem darum, dass seine Thesen
diskutiert werden!«
»Ja, gelesen und diskutiert«, sagte
Refık.
»Natürlich lese ich das Buch als
erster«, erwiderte der Minister. »Auf neue Meinungen, die sich mit
Landwirtschaft und der Entwicklung unserer Dörfer befassen, legen wir
allerhöchsten Wert!« Er wandte sich wieder der vor ihm liegenden Akte zu. Dann
sah er auf die Uhr und kramte in seinen Schubladen. »Warum setzen Sie sich denn
nicht?« fragte er, stand aber seinerseits auf und rief nach seinem Sekretär.
Refık dachte: »Was kann ich ihm
sonst noch sagen? Dass es mir vor allem um die Diskussion geht und dass den
Dorfverbänden die gleichen modernen Struk… Und dass mir das mit dem Veröffentlichen
gar nicht so wichtig ist! Was redet er mit seinem Sekretär? Ach, ich bin ganz
durcheinander!«
Der Minister gab seinem Sekretär
Anweisungen und sagte dann zu Refık: »Dann lassen Sie uns also am besten
eine Zusammenfassung zukommen, ja? Ich lege dann bei der Publikationskommission
ein Wort für Sie ein.« Und als er Refıks Gesicht sah, fügte er hinzu: »Es
gibt da noch eine andere Möglichkeit. Sie können das Ganze auch selbst
herausbringen, ungekürzt. Und wir vom Ministerium nehmen Ihnen dann eine
bestimmte Anzahl ab.« Ganz stolz auf seinen großzügigen Vorschlag nickte er
Muhtar zu. Dann entnahm er seinem Schrank eine große Mappe und packte sie mit
den Akten auf seinem Schreibtisch und diversen Papieren aus den Schubladen
voll.
Refık dachte: »Das will ich
doch gar nicht! Aber helfen kann mir der Mann schon!«
Der Minister ließ sich vom Sekretär
noch eine letzte Akte geben und sagte dann: »Sie entschuldigen mich! Ich habe
Sie zwar warten lassen, aber jetzt muss ich trotzdem schnell weg! In der
deutschen Botschaft wird zu Ehren von Dr. Funk ein Essen gegeben!« Er griff zu
seiner Mappe, drückte die Zigarette aus und ging auf Refık zu. Er packte
ihn am Oberarm und sagte zu Muhtar: »Freut mich sehr, dass Sie den jungen Mann
zu mir gebracht haben! Wir werden ihm bestimmt helfen!«
Refık spürte, dass er nun
irgend etwas sagen musste. »Vielen Dank, aber mir war eigentlich mehr daran
gelegen, dass sich über mein Projekt eine Diskussion entwickelt!«
Der Minister drückte Refık den
Arm noch fester, als wollte er am Bizeps ermessen, was für einen Menschen er da
vor sich hatte. »Was für eine Diskussion?«
»So wie in der Zeitschrift Organisation zum Beispiel!«
Mit verfinsterter Miene sah der
Minister Muhtar an. Auch der war verdutzt.
Der Minister ließ Refıks Arm
los. »Ach so, diese Zeitschrift. Die Organisationsbewegung. Aber diese Mode ist
doch vorbei.« Er sah Muhtar an. »Ist sie doch, oder?« Und als fiele ihm das so
plötzlich ein, fragte er: »Wie geht es eigentlich İsmet Paşa?«
»Da weiß ich leider nicht mehr als
Sie«, erwiderte Muhtar errötend.
Refık wusste von Nazli, dass
ihr Vater mit İsmet Paşa einst vertrauten Kontakt gehabt hatte. Bei
der Namensreform hatten sie ihren Familiennamen sogar von ihm bekommen. Doch
was hatte Refık nur Falsches gesagt, dass plötzlich von İsmet
Paşa die Rede war?
»Wir hängen alle noch sehr an
İsmet Paşa«, sagte der Minister. »Aber Ministerpräsident ist nun
Celâl Bayar. Und ich begreife nicht, warum İsmet Paşa nicht nach
Istanbul fährt, wo es Atatürk doch so schlechtgeht!« Er ging auf die Tür zu,
wandte sich dann zu Muhtar um und deutete auf seine Aktenmappe: »Wir stecken
bis zum Hals in Arbeit!« Er sagte das nicht verärgert, sondern lächelnd. »Heute
der deutsche Wirtschaftsminister Dr. Funk, morgen bestimmt gleich sein
englischer Amtskollege Sir Soundso. Lassen Sie sich nicht täuschen von der
Münchner Konferenz: Wir gehen auf einen Weltkrieg zu! Da möchte uns jeder auf
seine Seite ziehen. Ist doch so, nicht wahr?« Er heischte oft um Bestätigung.
Gemeinsam gingen sie auf den Korridor hinaus. »Was sagen Sie zu dem Unfall
gestern?« Auf der Fahrt zu Atatürks Musterbauernhof war ein Auto umgekippt, und
die Gattin Dr. Funks hatte sich dabei eine Prellung am Arm zugezogen.
Sie gingen die Treppe hinunter.
»Oder was er neulich bei dem Festbankett gesagt hat: Ein Handel mit Deutschland
bedeute ja kein Hindernis für einen Handel mit anderen Ländern … Dabei meint
er
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