Chamäleon-Zauber
fortgeflogen. Das war Binks einzige Erfahrung mit dem Reiten gewesen.
Er beugte sich vor. Der Stab machte es ihm unmöglich, seinen Rücken genügend zu beugen. Er griff nach hinten, um ihn herauszuziehen – und er fiel ihm prompt auf den Boden. Chester gab ein Schnauben von sich, das verdächtig nach Gelächter klang. Aber der Zentaur hob ihn auf und reichte ihn Bink wieder. Diesmal klemmte Bink ihn unter seinen rechten Arm, beugte sich wieder vor und umarmte Cheries schlanke Hüfte, ohne auf Chesters wütenden Blick zu achten. Es gab Dinge, die waren schon ein Risiko wert – zum Beispiel, schnell hier wegzukommen.
»Du gehst zum Tierarzt und läßt dir die Nadeln aus deinem…« fing Cherie an und sprach dabei über ihre Schulter hinweg.
»Sofort!« unterbrach Chester sie. Er wartete, bis sie sich in Bewegung setzte, dann trottete er ein wenig linkisch in die Richtung zurück, aus der er gekommen war. Wahrscheinlich ließ jede Bewegung sein Hinterteil noch mehr brennen.
Cherie trottete den Pfad entlang. »Chester ist im Grunde ein gutes Geschöpf«, sagte sie. »Aber er hat doch die Neigung, ein bißchen arrogant zu sein, und wenn man ihm widerspricht, dann fällt er leicht aus der Rolle. Wir haben in letzter Zeit Probleme mit Verbrechern und…«
»Menschlichen Verbrechern?« fragte Bink.
»Ja. Kinder aus dem Norden, die üble Zauberei betreiben. Sie vergasen unser Vieh, schießen Schwerter in Bäume, lassen gefährliche Gruben scheinbar vor unseren Füßen aufbrechen und so weiter. Deshalb hat Chester natürlich gedacht…«
»Ich kenne diese Blagen«, sagte Bink. »Ich habe mich auch schon mit ihnen gekeilt. Jetzt sitzen sie erst einmal fest. Wenn ich gewußt hätte, daß sie hier unten hinkommen, dann…«
»In diesem Gebiet scheint es heutzutage einfach keine Disziplin mehr zu geben«, sagte sie. »Nach dem Vertrag ist euer König dazu verpflichtet, die Ordnung zu gewährleisten. Aber in letzter Zeit…«
»Unser König wird alt«, erklärte Bink. »Er verliert seine Kraft,und es gibt eine Menge Ärger. Er war ein großer Magier, ein Sturmzauberer.«
»Das wissen wir«, sagte sie zustimmend. »Als die Feuerfliegen unsere Haferfelder überfielen, da hat er einen Regensturm von fünf Tagen Dauer beschworen, in dem sie alle ertrunken sind. Natürlich hat das auch unsere Ernte zerstört, aber das haben die Feuerfliegen auch getan. Wenigstens konnten wir danach ohne Belästigungen neu säen. Wir vergessen diese Hilfe nicht. Deswegen wollen wir auch nicht stur sein. Aber ich weiß nicht, wie lange Hengste wie Chester diesen Ärger noch dulden werden. Deshalb wollte ich auch mit dir reden – wenn du nach Hause zurückkehrst, dann könntest du den König vielleicht doch darauf aufmerksam machen, daß…«
»Ich glaube nicht, daß das etwas bewirken würde. Ich bin sicher, daß der König die öffentliche Ordnung aufrechterhalten will, aber er hat einfach nicht mehr die Macht dazu.«
»Dann ist es vielleicht Zeit, einen neuen König zu wählen.«
»Er wird senil. Das bedeutet, daß er nicht vernünftig genug ist, um abzudanken, und nicht zugeben mag, daß es überhaupt irgendwelche Probleme gibt.«
»Ja, aber dadurch lassen sich Probleme nun einmal nicht lösen!« Sie gab ein sanftes, weibliches Schnauben von sich. »Irgend etwas muß doch geschehen.«
»Vielleicht kann ich mir beim Magier Humfrey einen Rat geben lassen«, meinte Bink. »Das ist eine ernste Sache, einen Königabzusetzen. Ich glaube nicht, daß die Ältesten damit einverstanden wären. Als er auf seinem Höhepunkt war, da hat er gute Arbeit geleistet. Und es gibt eigentlich niemanden, der ihn ersetzen könnte. Du weißt doch, daß nur ein großer Magier König werden kann.«
»Ja, natürlich. Wir Zentauren sind alle Gelehrte, weißt du.«
»Entschuldigung, daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Unsere Dorfschule wird auch von einem Zentauren geleitet. In dieser Wildnis habe ich einfach nicht mehr daran gedacht.«
»Verständlich – obwohl ich dieses Gebiet hier noch nicht Wildnis nennen würde. Ich habe mich auf humanoide Geschichte spezialisiert, und Chester studiert die Anwendung von Pferdekräften. Andere sind Juristen, Naturwissenschaftler, Philosophen…« Sie unterbrach sich. »Jetzt halt dich fest. Da vorne kommt ein Graben, da werde ich springen müssen.«
Bink hatte sich mittlerweile entspannt, doch nun lehnte er sich wieder vor und legte die Arme fest um ihre Hüfte. Sie hatte einen glatten, bequemen Rücken, aber von
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