Charlie Chan macht weiter
jetzt dort hin, lasse Sie aussteigen und transportiere dann Ladies zum Dock. Wenn ich zurückkehre, haben Sie Papiere eingesammelt. Der Chef oder einer der Männer wird Safe für Sie öffnen. Wir werden ein letztes Mal plaudern, und Sie sollten eine letzte Pfeife rauchen.«
Duff stimmte zu und stieg hinaus in den Wolkenbruch, während die anderen drei weiterfuhren.
Am Pier verabschiedete sich Charlie Chan höflich von den Frauen und eilte dann zurück zum Revier. Als er die ausgetretenen vertrauten Stufen emporstieg, war ihm das Herz schwer. Duffs Besuch war eine erfreuliche Unterbrechung in der Monotonie seines Alltags gewesen, aber der Engländer war viel zu kurz geblieben.
Das Rauschen des tropischen Regens immer noch in den Ohren, durchquerte er den Gang und stieß die Tür zu seinem Büro auf; und zum zweitenmal innerhalb von sechsunddreißig Stunden wurde er mit etwas Unerwartetem konfrontiert.
Duff lag auf dem Boden neben dem Schreibtischstuhl. Seine Arme waren hilflos neben seinem Kopf ausgestreckt.
Mit einem wütenden, erschrockenen Aufschrei rannte Charlie auf ihn zu und beugte sich über ihn.
Das Gesicht seines englischen Freundes war bleich wie der Tod. Charlie fühlte rasch nach seinem Puls und spürte ein leichtes Flattern. Er sprang ans Telefon und rief das »Queen’s Hospital« an.
»Einen Krankenwagen!« brüllte er in den Hörer. »Zum Polizeirevier! Sofort! Machen Sie schnell, um Gottes willen!«
Einen Moment lang sah er sich hilflos um. Das einzige Fenster war wie gewöhnlich hochgeschoben. Draußen in der dunklen Gasse schüttete es immer noch. Das Fenster – ja! Und plötzlich war aus der Dunkelheit eine Kugel hereingeflogen.
Chan wandte sich dem Schreibtisch zu, auf dem Duffs geöffnete Aktentasche lag. Einige der Papiere befanden sich noch in der Tasche, ein paar lagen verstreut in der Gegend herum, vom Zugwind durcheinander geblasen.
Charlie rief seinen Chef an, der aus dem Zimmer nebenan herbeieilte. Im selben Augenblick bewegte sich Duff leicht. Chan kniete neben ihm nieder. Duff öffnete die Augen und sah seinen Freund.
»Machen Sie weiter, Charlie«, wisperte er, dann wurde er wieder bewußtlos.
Chan blickte auf seine Uhr und begann, die Papiere auf dem Schreibtisch einzusammeln.
15
Charlies Chef beugte sich über Duff. Seine Miene war ernst. Schließlich richtete er sich wieder auf und blickte Chan ratlos an.
»Was hat das zu bedeuten?« wollte er wissen. Der Chinese deutete auf das offene Fenster.
»Ein Schuß«, erklärte er knapp. »Schuß in den Rücken. Kugel kam von dort. Armer Inspector Duff! Er kommt in unsere ruhige Stadt auf der Suche nach einem Mörder in der Reisegesellschaft, die heute in unserem Hafen eingetroffen, und heute abend versucht Mörder seinem Gewerbe nachzugehen.«
»Eine verdammte Unverschämtheit!« brüllte der Chef plötzlich aufgebracht. »Ein Mann auf der Polizeiwache von Honolulu niedergeschossen!«
Chan nickte. »Und was noch schlimmer ist – in meinem Büro, auf das ich so stolz gewesen bin, niedergeschossen. Bis dieser Mörder gefaßt ist, bin ich dem Gelächter der ganzen Welt preisgegeben.«
»So würde ich es nicht sehen«, sagte der Chef.
Chan hatte alle Papiere in der Aktentasche verstaut und machte sie jetzt zu.
»Was haben Sie vor, Charlie?«
»Was kann ich schon tun? Kann ich Gesicht verlieren und keinen Gegenangriff starten? Ich werde heute abend mit der ›President Arthur‹ auslaufen.«
»Aber das können Sie nicht machen!«
»Wer kann mich aufhalten? Können Sie mir, bitte, sagen, welcher Chirurg in dieser Stadt der fähigste ist?«
»Nun, ich glaube, Dr. Lang…«
In der nächsten Sekunde hatte Chan das Telefonbuch in der Hand und wählte auch schon gleich eine Nummer. Während er sprach, hörte er den Krankenwagen vor der Tür von Halekaua Haie. Sanitäter in weißen Mänteln traten mit einer Bahre in den Korridor. Der Chef überwachte den Abtransport des unglückseligen Duff, während Charlie mit dem Chirurgen redete. Dr. Lang wohnte im »Young« und versprach, noch möglichst vor der Ambulanz im Krankenhaus zu sein. Charlie legte den Hörer auf die Gabel, nahm ihn aber gleich wieder auf und wählte erneut.
»Hallo!« sagte er in den Hörer. »Bist du das, Henry? Du bist heute früh zu Hause. Die Götter sind gnädig. Hör gut zu! Dein Vater spricht. Ich fahre in einer Stunde aufs Festland…. Was?… Bitte freundlichst, Äußerungen der Überraschung zu unterlassen – die Sache ist entschieden.
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