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Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Titel: Charlotte Und Die Geister Von Darkling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boccacino
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Er lud mich ein, mit ihnen zu essen. Seine Wangen hatten wieder Farbe bekommen, und selbst seine alte Verbissenheit schien sich gemildert zu haben.
    »Es scheint, dass es Ihnen besser geht, Mr. Darrow?«
    »Ja. Dank Ihrer Pflege.«
    »Ich hoffe, Sie tun zukünftig allen den Gefallen, nicht mehr in der Kälte herumzusitzen, bis Sie krank werden.«
    »Ich war unbesonnen. In vieler Hinsicht.« Er lächelte mir schwach zu, nicht erschöpft oder von der Krankheit geschwächt, sondern entschuldigend.
    »Ja? Glauben Sie?«
    »Mehr als das. Ich hatte unrecht.«
    »Wirklich?«
    »Ich hoffe, Sie vergessen, was ich gesagt habe.«
    »Das könnte ich niemals. Aber wir sprechen später darüber. Auf die Buben und mich wartet ein Stundenplan.«
    »Natürlich. Ein anderes Mal.«
    »Vielleicht.«
    Und damit war alles wieder beim Alten. Ich behielt meine Stellung, und Mr. Darrow behielt seine Distanziertheit und starrte in die unergründlichen Tiefen seiner Teetasse, als ich die Kinder ins Klassenzimmer hinaufbrachte. Nach einer ganzen Woche Pause war es schwierig, mit dem Unterricht fortzufahren, und es ging schleppend voran. Aber nach vier Stunden Auffrischung vom Untergang Roms bis zum Satz des Pythagoras rauchte denBuben der Kopf, und sie brauchten eine Pause. Es war überflüssig, sie zu fragen, was sie tun wollten. Ich konnte es in ihren Augen sehen, die wie am Weihnachtsabend strahlten.
    Es war der längste Abstand, den wir bisher zwischen unseren Besuchen in Darkling erlebt hatten, und als uns Duncan zum Eingang des Hauses brachte, erschien Mrs. Darrow mit gerötetem Gesicht und außer Atem, als wäre sie uns durch das ganze Haus entgegengelaufen.
    »Ihr seid wiedergekommen   …« Ihre Augen waren aufgerissen und funkelten, doch ob aus Furcht oder Freude, vermochte ich nicht zu deuten. Sie drückte die Kinder auf eine berührende Weise lange Zeit an sich, bis James sich ihr entwand.
    »Vater war krank. Charlotte hat sich um ihn gekümmert.«
    »Tut mir leid, das zu hören. Danke, dass Sie für ihn gesorgt haben.« Sie sah mich bei diesen Worten nicht an. »Kommt. Ich bin gerade mitten im Unterricht mit Olivia, aber ihr dürft gerne dabei sein.« Lily führte uns in den Ballsaal. Olivia war bereits da und tanzte gelangweilt vor Mrs. Aldritch und ihrem Sohn Dabney. Die Frau hielt Olivia an und griff dem Mädchen mit ihren manikürten Händen unter die Arme und drückte sie in eine strengere Haltung über ihren Kopf.
    »Beim Tanz der unendlichen Trauer musst du die Arme die gesamte Zeit über deinen Kopf halten, und zwar so, als ob du den Mond in den Himmel halten würdest. Verstehst du?«
    Olivia biss sich in die Innenseite ihrer Wange und nickte höflich, aber ihr Gesicht hellte sich auf, als sie sah, dass sie Zuschauer bekommen hatte.
    »Lily, Sie haben die Kinder gebracht! Wie wunderbar!« Paul war verärgert darüber, dass er noch als Kind bezeichnet wurde.
    »Ich bin kein Kind mehr! Ich bin dreizehn.« Er sagte es ein wenig lauter als notwendig und begrüßte rasch seinen Freund Dabney mit einem herzlichen Handschlag. Der unheimlichgutaussehende junge Mann lachte darüber und umarmte Paul freundlich.
    »Olivia hat bald ihren Debütantinnenball«, erklärte Lily, »deshalb muss ich jetzt darauf bestehen, dass wir weiterüben. Dabney?«
    Der Junge ließ Paul stehen und nahm Miss Whatleys Hände in die seinen. Sie glitten durch den Saal, während Lily den Takt zählte, blondes Haar und bleiche Schönheit in anmutiger Bewegung. Als Lily mit dem gewonnenen Fortschritt zufrieden war, aber natürlich erst mit Mrs. Aldritchs Einverständnis, begaben wir uns zum Abendessen.
    Dabneys Mutter schwatzte mit Miss Whatley auf einer Seite des Tisches, während sich ihr Sohn leise mit Paul auf der anderen Seite unterhielt, so dass Lily und ich miteinander sprechen konnten. James saß stumm in einer ungewohnten Trübsal an seinem Essen, die sonst nur seinem Bruder zu eigen war. Aber davon abgesehen war es ein sehr angenehmer Abend. Ich blickte hin und wieder zu Paul hinüber und sah ihn lächeln und lachen, wie es bei Kindern sein sollte. Er wirkte völlig verändert in der Gesellschaft des älteren Jungen, und ich konnte nicht umhin, zu denken, dass vielleicht auch etwas Gutes an diesem Haus von Darkling war.
    Die Aldritches verabschiedeten sich nach dem Essen, und Lily brachte uns wie immer zu unseren Zimmern. Aber dieses Mal gab sie den Buben nur einen Gutenachtkuss, ohne sie zu Bett zu bringen, und das Märchenbuch wurde nicht

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