Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
Rest Pizza und versuchte, mein Make-up durch die aufkommenden Tränen nicht zu ruinieren. Ich tupfte vorsichtig mit einem Taschentuch an meinen Augen herum, als Olivia neben mir auftauchte und es mir aus der Hand nahm. »Du verschmierst es noch, ich mach das.« Sie grinste mich breit an und befahl mir, die Augen zu schließen. Ich hatte den Eindruck, dass sie die Gelegenheit nutzte, um mein Make-up zu verfeinern, was sich beim nächsten Blick in den Spiegel auch bestätigte. Meine zuvor dezent geschminkten Augen waren um einiges dramatischer geworden. Wenige Minuten später waren wir mit dröhnendem Motor auf dem Weg zur Party.
Wir fuhren durch einen tiefen Nadelwald, am Rand blitzten die Augen von Tieren im Scheinwerferlicht geisterhaft auf und fesselten mich.
Eine schmale Einfahrt, die wir fast verpasst hätten, führte einen Hügel hoch auf ein mit Laubgehölz bewaldetes Areal, auf dem ein altes hellblaues Herrenhaus thronte. Es standen schon einige Fahrzeuge, die verschiedener nicht sein konnten, auf einem großzügigen Parkplatz. Dort waren Limousinen neben VW-Bussen, deren Alter über meinem lag, und Audis neben Toyota Corollas und Fiat Pandas. Wir parkten unseren VW ein Stück abseits am Waldrand. Laute Musik dröhnte uns aus dem Haus entgegen und der Eingangsbereich war mit bunten Lampions geschmückt, was eine freundliche, fast schon romantische Stimmung verströmte. Es war eine sternenklare Nacht und ich legte meinen Kopf in den Nacken, um sie auf mich wirken zu lassen. Die Luft war kühl und rein. Ich sog sie tief in mich hinein, bis Lennox mich sacht vorwärtsschob. Draußen auf der Veranda des Hauses saßen zwei Baobhan-Sith zigarrerauchend und verstummten, als wir uns näherten. Ich fand den Anblick der hübschen grazilen Frauen mit diesen qualmenden Ungetümen in den Händen völlig skurril und zog unbeabsichtigt die Stirn in Falten. Sie musterten mich eingehend und viel zu interessiert. Ich hatte das Gefühl, sie versuchten zu analysieren, wer oder viel mehr was ich war.
Lennox trat an meine Seite, legte behutsam und schützend den Arm um mich und blickte wachsam zu den beiden Frauen hinüber. Als wir über die Türschwelle traten, wurden wir sofort von der intensiven Stimmung gefangen genommen, die hier eine ganz eigene Dynamik hatte. Wir vier tauchten in das Nachtleben der Zeitwandler und Hexer ein. Die Atmosphäre war eine völlig andere, als man sie von einer Party her kannte, düsterer, irgendwie unwirklich. Sogar ein wenig bedrohlich. Überall standen Leute, die sich unterhielten, mit Drinks in den Händen und in ausgelassener Stimmung, eigentlich ganz normal. Sah man aber genauer hin, wurde man von der starken Präsenz jedes Einzelnen spontan überrollt. Fast jeder der Anwesenden sprühte vor Kraft und einer durchdringenden Aura. Bei einigen war dieses Scheinen, das sie umgab, irgendwie hell und weich, bei anderen dunkel und wabbernd wie farbiger Teer. Es war seltsam. Bei Olivia und Lennox passte der Schein oder die Aura, wie sie es nannten, perfekt zu ihnen. Olivias zartes und anmutiges Erscheinungsbild umfloss ein kühles hellschimmerndes Blau. Lennox’ Aura war beinahe silbern und völlig durchscheinend. Man nahm es nur wahr, wenn er sich schnell bewegte. Doch es gab auch Personen, die bunt und fröhlich wirkten, mit Grübchen in ihren runden Gesichtern und warmen Augen, deren Aura aber wabbernd und dunkel war und eine gewisse Boshaftigkeit verströmte, die verstörend war. Ich schluckte und sah mich nach den anderen um. Jemand fehlte, Ben war verschwunden. Ich zuckte mit den Achseln und umfasste Lennox’ Hand. Der Gastgeber hatte allem Anschein nach keine Kosten und Mühen gescheut, um diese Party zu einem Erfolg werden zu lassen. Olivia bewegte sich im Rhythmus der Musik, als ich Ben aus der Menge zu uns zurückkommen sah. Er hatte vier Drinks in den Händen, die er nun an uns verteilte.
»Das wäre dann wohl eine der legendären Partys des Magnus Gutenberg. Hier soll es ja immer sehr heiß zugehen«, vernahm ich Olivias Feststellung und brachte ein abwesendes Hhh hervor.
Mir war ein wenig mulmig, gleichzeitig fühlte ich mich auch wie in einem Sog aus dieser ausgelassenen Energie, der mich mit sich zu ziehen schien.
Wir kamen in einen Saal, der jedem Ballsaal Konkurrenz gemacht hätte. Am Ende war ein modernes DJ-Pult aufgestellt und der in weiß gehaltene Saal war eine einzige bebende Tanzfläche. Auf der anderen Seite stand ein großes Ecksofa, auf dem sich mehrere Pärchen
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