Cherubim
geschnitzten Gewerk. Ohne Umschweife griff sie in das Muster, das die geschnitzten Ranken bildeten, und zog das Türchen auf.
Bruder Johannes warf der Nonne einen erstaunten Blick zu.
Sie lächelte verhalten. »Die Pforte ist offen, seit diese Jüdin sie eingetreten hat. Aber es war schon vorher möglich, sie von innen zu öffnen. Man musste nur durch das Gitter fassen, dann konnte man den Riegel erreichen und zur Seite schieben.«
Bruder Johannes wirkte verblüfft ob dieser Beichte, er sagte jedoch nichts dazu, sondern bugsierte Katharina nur in das Innere des Klosters.Die Priorin saß an ihrem Schreibtisch und schrieb an einem Brief, als Schwester Rubinia Katharina in ihre Gemächer führte.
»Mein Kind!« Sie legte die Feder fort und erhob sich. Sie wirkte noch immer steif und ungelenk, aber die Schmerzen, die sie neulich gehabt hatte, schienen fort – oder zumindest doch erträglich zu sein.
Katharina trat näher und wartete, dass Rubinia die Tür hinter sich schloss. Erst, als sie mit der Priorin allein war, meinte sie: »Ich sehe, es geht Euch ein wenig besser!«
Kunigunde umrundete den Schreibtisch. »Nicht nur ein wenig. Eure Medizin hilft gut, meine Liebe! Aber wahrscheinlich war es die Kunde, die Ihr mir über Bruder Johannes habt zukommen lassen, die mein Leiden in Wahrheit gebessert hat. Ich habe mich schon gefragt, wann Ihr Euch blicken lasst, um mir Einzelheiten zu erzählen.« Sie wies auf die Holzstühle, doch Katharina bat darum, sie kurz untersuchen zu dürfen.
»Ich würde mich gerne mit eigenen Augen davon überzeugen, dass es Euch wirklich besser geht.«
Kunigunde lächelte. »Ihr seid eine gewissenhafte Heilerin. Das gefällt mir!«
Es war ganz klar, was sie damit zum Ausdruck bringen wollte. Katharina presste die Lippen zusammen und beschloss, vorerst nicht darauf einzugehen. Vorsichtig betastete sie Kunigundes Fingerknöchel, dann ließ sie sich ihre Zunge zeigen.
»Das sieht alles gut aus. Ist Euer Urin nach wie vor schwarz?«
»Ich weiß es nicht. Ich muss jetzt wieder auf die Latrina gehen.«
»Gut.« Katharina näherte ihre Hand Kunigundes Gesicht. »Ich möchte nur noch kurz Eure Augen betrachten.«
Kurz sah es aus, als wollte die Priorin abwinken, doch dann hielt sie still, während Katharina ihr das Oberlid in die Höhe zog.
Und ein überraschtes Ächzen ausstieß.
»Was?«, fragte Kunigunde.
Katharina ließ das Lid los und untersuchte auch erst noch das andere Auge. »Eure Augäpfel«, meinte sie dann. »Sie sind schwarz.«
Kunigunde winkte ab. »Ja, das ist mir kürzlich auch zum ersten Mal aufgefallen. Schwarzer Urin. Schwarze Augen! Wen kümmert es schon! Ihr seid doch eigentlich wegen etwas ganz anderem hier!«Energisch deutete sie jetzt auf die Stühle, und endlich setzte Katharina sich.
Ihre Gedanken wanderten zu Heinrich, aber sie kam nicht dazu, über den Bettler nachzudenken, denn nun ließ die Priorin keinerlei Zweifel mehr daran, dass sie eine Antwort wollte.
»Ich muss mich entschuldigen«, sagte Katharina zögernd. »Dass ich Euch so lange habe warten lassen. Die Umstände ...«
»Bruder Johannes hat mir erzählt, dass Ihr mit den Ereignissen in unserer Kirche vor drei Tagen zu tun hattet.«
Die Ereignisse ...
Katharina presste die Lippen zusammen, als sie an Maria dachte. Wieder drängte sich Heinrich in ihre Gedanken. Wieder schob sie ihn fort. Langsam nickte sie.
»Was ist mit der armen Frau passiert?«, wollte Kunigunde wissen. »Das Letzte, was ich weiß, ist, dass sie in ein Narrenhäuslein geschafft wurde.«
Katharina nickte. »Eine wütende Menge hat sie umgebracht.« Sie schauderte allein beim Gedanken daran, doch es war Richards Gesicht, das vor ihrem inneren Auge auftauchte, nicht das der armen Hure. Mit so wenigen Worten wie möglich erzählte Katharina der Priorin, was im Luginsland geschehen war.
»Und?«, meinte Kunigunde. »Hat man die Schuldigen bestraft?«
»Der Eisenmeister wurde ins Loch geworfen. Offenbar hat er die Meute in den Turm gelassen. Aber wer tatsächlich den tödlichen Streich geführt hat, weiß man noch nicht. Die Untersuchungen dauern an.« Sie wusste das alles von Lukas, der sich in der Stadt ein wenig umgehört hatte. Von ihm wusste sie auch, dass viele Bürger gar nicht so sehr erpicht darauf waren, Marias Mörder zu finden. Sie hielten ihren gewaltsamen Tod für eine angemessene Strafe.
»Ich habe gehört, dass es weitere Unruhen in der Stadt gab«, meinte Kunigunde.
Katharina zuckte die Achseln. »Die
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