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Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis

Titel: Chronik der Vampire 02 - Fürst der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Nische im rechten Seitenschiff. Mich dürstete nach dem Blut, das ich verloren hatte, und jedesmal wenn sich ein Sterblicher in meiner Nähe aufhielt, spürte ich ein starkes Zerren und Klopfen an der Stelle, wo die Wunde gewesen war. Aber ich ließ mir Zeit.
    Erst als sich eine junge Bettlerin mit ihrem kleinen Kind näherte, wußte ich, daß es soweit war. Sie sah die Blutflecken und setzte alles daran, mich ins nächste Krankenhaus, das Hôtel-Dieu, zu schaffen. Ihr Gesicht war von Hunger ausgemergelt, und dennoch versuchte sie, mich mit ihren dünnen Ärmchen hochzuheben.
    Ich sah ihr in die Augen, bis sie ganz glasig wurden. Ich spürte ihre warmen Brüste unter ihren Lumpen. Ihr weicher, saftiger Körper sank mir entgegen, gab sich mir hin, während ich sie in meine blutverschmierte Brokat- und Spitzenkleidung kuschelte. Ich küßte sie, entfernte ihr schmutziges Halstuch und saugte sie so geschickt aus, daß das Kind nichts merkte. Dann öffnete ich vorsichtig und mit zitternden Fingern das zerlumpte Kinderhemdchen. Auch dieser kleine Hals sollte mir gehören.
    Meinen Verzückungstaumel können Worte nicht beschreiben. Bislang hatte ich nur die Wonnen der Notzucht ausgekostet, aber bei diesen Opfern hier war echte Liebe mit im Spiel. Ihre Unschuld, ihre Güte schienen ihr Blut noch köstlicher zu machen.
    Ich sah sie hinterher an, wie sie da zusammen in ihrem Todesschlaf ruhten. Die Kathedrale war ihnen in dieser Nacht eine schlechte Zufluchtsstätte geworden. Da wußte ich, daß meine Vision von dem Garten der wilden Schönheit der Wirklichkeit entsprach. Der Sinn der Welt, ihre Gesetze, das Unvermeidliche, das alles hatte nur ästhetische Bedeutung. Und in diesem wilden Garten gehörten die Unschuldigen den Vampiren.
    Ich war jetzt bereit, nach Hause zu gehen. Und als ich in den frühen Morgen schritt, wußte ich, daß die letzte Schranke zwischen meinem Appetit und der Welt sich aufgelöst hatte.
    Jetzt war niemand mehr, auch der Unschuldigste nicht, vor mir sicher. Und meine lieben Freunde in Renauds Theater und mein geliebter Nicki bildeten da keine Ausnahme.

13
    Ich wollte sie aus Paris haben. Ich wollte die Plakate entfernt und die Tore geschlossen wissen; ich wollte Ruhe und Dunkelheit in dem kleinen Schmierentheater, in dem ich die glücklichste Zeit meines sterblichen Daseins verbracht hatte.
    Selbst ein Dutzend unschuldiger Opfer pro Nacht konnte nicht verhindern, daß ich ständig an sie denken mußte, konnte meinen inneren Schmerz nicht lösen.
    Ich schämte mich in Grund und Boden, wenn ich daran dachte, wie sehr ich sie in Furcht und Schrecken versetzt hatte. Wie hatte ich ihnen das nur antun können?! Warum nur mußte ich mir auf so brutale Weise vor Augen führen, daß ich ihnen niemals wieder würde angehören können?
    Nein. Ich hatte Renauds Theater gekauft, hatte es zum Schmuckstück des Boulevards gewandelt. Jetzt würde ich es dichtmachen.
    Sie hatten keinerlei Verdacht geschöpft. Sie schenkten den dümmlichen Ausreden Glauben, die Roget ihnen auftischte - ich sei gerade aus der Hitze der Tropenkolonien zurückgekehrt, der gute Pariser Wein habe meinen Geist umnebelt. Und wieder jede Menge Geld, um den Schaden auszubügeln.
    Gott allein weiß, was sie wirklich dachten. Schon am nächsten Abend spulten sie wieder ihr gewöhnliches Programm ab, und die dumpfen Zuschauermassen hatten für die blutigen Ereignisse der letzten Nacht sicher ein Dutzend feinsinniger Erklärungen bereit. Sie standen Schlange.
    Nur Nicki hatte die Segel gestrichen. Er verfiel zusehends dem Alkohol und weigerte sich, wieder einen Fuß in das Theater zu setzen oder seine musikalischen Studien fortzusetzen. Als Roget bei ihm vorbeischaute, wurde er von Nicolas mit Beleidigungen überhäuft. Er suchte die schlüpfrigsten Finten auf und strich nachts allein durch verrufene Gassen.
    Nun ja, dachte ich, in dieser Hinsicht sind wir uns ähnlich.
    Erfahren habe ich das alles von Roget, dem ich mit versteinertem Gesicht zuhörte, um ihm die wahre Natur meiner Gedanken zu verbergen.
    »Geld bedeutet dem jungen Mann nicht sehr viel, Monsieur«, sagte er. »Der junge Mann beteuert, er habe genug Geld in seinem Leben gehabt. Seine Äußerungen machen mir Sorgen, Monsieur, gefallen mir ganz und gar nicht.«
    Roget sah wie eine Witzfigur aus in seinem Nachtgewand und Zipfelmützchen, mit seinen nackten Beinen und Füßen, da ich ihn mal wieder mitten in der Nacht hochgejagt und ihm keine Zeit gelassen hatte, Pantoffeln

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