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Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten

Titel: Chronik der Vampire 03 - Königin der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Augen jenes Sterblichen zu sehen. Ich schlüpfte in diesen und jenen Körper. Ich ging im prallen Sonnenschein und durch pechschwarze Nacht; ich litt, ich hungerte, ich erduldete Schmerz.
    Manchmal begab ich mich in die Körper von Unsterblichen, wie ich mich in den Körper von Baby Jenks begeben habe. Oft war ich auch in Marius zu Gast. Dieser selbstsüchtige, eitle Marius, der Gier mit Respekt verwechselt. Oh, ich liebte ihn. Ich liebe ihn immer noch; er hat für mich gesorgt. Mein Betreuer.«
    Ihre Stimme klang bitter, aber nur einen Augenblick lang. »Aber viel öfter steckte ich in den Armen und Geplagten, das war das rauhe, wirkliche Leben, nach dem ich mich sehnte.«
    Sie unterbrach sich; ihre Augen waren umwölkt; die Brauen zogen sich zusammen, und Tränen stiegen in ihre Augen. Doch ich kannte die Fähigkeit, von der sie sprach, nur oberflächlich. Ich hätte sie so gerne getröstet, aber als ich Anstalten machte, sie zu umarmen, gab sie mir ein Zeichen, mich ruhig zu verhalten.
    »Ich vergaß, wer ich war, wo ich war«, fuhr sie fort. »Ich war das Geschöpf, dessen Stimme ich gewählt hatte. Manchmal jahrelang. Dann mußte ich wieder mit Schrecken feststellen, daß ich ein bewegungsloses, nutzloses Ding war, verdammt, für immer und ewig in einem goldenen Schrein zu sitzen! Daß alles, was ich gesehen und gehört hatte, nur eine Illusion gewesen war, das Beobachten eines anderen Lebens. Ich kehrte zu mir selbst zurück. Ich wurde wieder das, was du vor dir siehst. Dieses Götzenbild mit einem Herz und einem Gehirn.«
    Ich nickte. Als ich sie vor Jahrhunderten zum ersten Mal gesehen hatte, dachte ich mir, daß sie unsägliche Qualen erduldete. Und ich hatte recht gehabt. »Ich wußte, daß er dich gefangenhielt«, sagte ich. Ich sprach von Enkil. Enkil, der jetzt vernichtet war. Ein gestürztes Götzenbild. Ich erinnerte mich, wie ich in dem Schrein von ihr getrunken hatte und wie er gekommen war, um sie für sich zu fordern, und mir um ein Haar den Garaus gemacht hätte. War ihm überhaupt klar gewesen, was er da eigentlich tat? War schon damals jegliche Vernunft in ihm ausgelöscht gewesen?
    Statt einer Antwort lächelte sie nur. Unruhigen Blicks sah sie in die Dunkelheit. Ein fast magisches Schneetreiben hatte wieder eingesetzt, das das Licht der Sterne und des Mondes auffing und es über die ganze Welt zerstreute.
    »Was geschah, war beabsichtigt gewesen«, antwortete sie schließlich. »Ich sollte die Jahre verbringen, um immer mehr Kraft anzusammeln. Um schließlich so stark zu werden, daß es niemand… niemand mit mir aufnehmen konnte. Am Schluß war er nur noch ein Werkzeug, mein armer, geliebter König, mein Leidensgenosse. Sein Geist war untergegangen, ja. Und ich habe ihn nicht vernichtet, nicht eigentlich. Ich habe mir nur das einverleibt, was von ihm noch übrig war. Und zuweilen war ich so leer wie er gewesen, so stumm, so willenlos, daß es nicht einmal mehr zum Träumen reichte. Nur gab es für ihn keine Wiederkehr mehr. Er hatte seine letzten Visionen gehabt. Er war nutzlos geworden. Er ist den Tod eines Gottes gestorben, weil er mich noch stärker gemacht hat. Und es war alles beabsichtigt, mein Prinz. Alles von Anfang bis Ende beabsichtigt.« »Aber wie? Von wem?«
    »Von wem?« Sie lächelte wieder. »Verstehst du denn nicht? Du brauchst nie wieder nach irgendeiner Ursache zu forschen. Ich bin die Erfüllung, und von jetzt an werde ich die Ursache sein. Nichts und niemand kann mir noch Einhalt gebieten. Alte Verwünschungen sind bedeutungslos. Stumm und bewegungslos habe ich eine derartige Macht erlangt, daß mir nichts mehr in der Welt etwas antun kann. Sogar meine Erste Brut kann mir nichts anhaben, obwohl sie sich gegen mich verschworen hat. Es war mir bestimmt, all die Jahre zu verharren - bis du kamst.«
    »Aber was soll ich schon geändert haben?«
    Sie kam einen Schritt näher. Sie legte ihren Arm um mich, der sich weich, nicht so hart wie gewöhnlich anfühlte. Wir waren nur zwei Wesen, die nebeneinanderstanden, und sie kam mir unbeschreiblich schön vor, so rein, so überirdisch. Ich lechzte von neuem nach ihrem Blut, wollte mich niederbücken, ihren Hals küssen.
    Wieder legte sie mir den Finger auf die Lippen.
    »Erinnerst du dich noch, als du ein kleiner Junge warst?« fragte sie. »Denk an die Zeit zurück, da du sie angefleht hast, dich auf die Klosterschule zu schicken. Erinnerst du dich der Dinge, die dich die Mönche gelehrt haben? Erinnerst du dich der Gebete, der

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