Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
den passenden entlegenen Fleck für den Bau des Schreins zu finden. Aber schließlich, als der tiefste Winter vorbei war und der Himmel sehr klar, erspähte ich doch einige steile, unbewohnte Hänge über mir, abseits der Fahrwege gelegen, schienen sie mir für meinen Plan perfekt zu sein.
Ich führte meinen Tross in die nächste Ortschaft und kehrte allein zu der Stelle zurück. Ich kletterte über zerklüftetes Gelände, das jedem Sterblichen Einhalt geboten hätte, und fand genau den richtigen Platz, ein winziges, hoch gelegenes Tal, wo ich den Schrein errichten konnte.
Zurück im Ort, suchte ich eine Bleibe für mich und Jene, die bewahrt werden müssen und schickte die Leibwächter und Sklaven zurück nach Konstantinopel, nicht ohne sie reichlich für ihre Dienste entlohnt zu haben.
Meine verwirrten, aber freundlichen sterblichen Gefährten verabschiedeten sich ausführlich mit herzlichen Worten von mir und machten sich frohgemut mit einem der Wagen, den ich ihnen überließ, auf ihren Heimweg.
Da der Ort, in dem ich mich eingemietet hatte, vor Übergriffen nicht sicher war, wie zufrieden die lombardischen Bewohner auch sein mochten, begab ich mich schon in der folgenden Nacht ans Werk.
Nur ein Bluttrinker hätte die Entfernung zwischen meiner Unterkunft und dem Bauplatz des Schreins in einer solchen Geschwindigkeit zurücklegen können. Nur ein Bluttrinker hätte die Gänge durch die dichte Erdschicht und den Fels graben können, die zu dem rechteckigen Gewölbe führten. Nur ein Bluttrinker hätte die eisenbeschlagene Steintür herstellen können, die das Tageslicht von Dem König und Der Königin fern halten würde. Nur ein Bluttrinker hätte die Wände mit Bildern der alten griechisch-römischen Götter und Göttinnen schmücken können. Nur ein Bluttrinker hätte in so kurzer Zeit einen so kunstfertigen granitenen Thron bauen können.
Nur ein Bluttrinker hätte Die Mutter und Den Vater einen nach dem andern hinauf in die Berge und zu ihrem fertigen Ruheplatz tragen und Seite an Seite auf ihren Thron setzen können. Und als alles fertig war, wer sonst hätte sich in der Kälte niedergelegt und wieder einmal aus dem altbekannten Gefühl der Einsamkeit heraus Tränen vergossen? Wer sonst hätte zwei ganze Wochen in stummer, bewegungsloser Erschöpfung liegen können?
Und so war es nicht verwunderlich, dass ich in den ersten paar Monaten versuchte, Den Eltern irgendein Zeichen von Lebendigkeit zu entlocken, indem ich ihnen in Erinnerung an Eudoxia menschliche Opfer brachte; aber Akasha ließ sich nicht herab, wegen diesen elenden Sterblichen – Bösewichte, Übeltäter allesamt, versichere ich dir – ihren übermächtigen rechten Arm zu heben. Also musste ich die Unglücklichen selbst töten und ihre Überreste hoch hinauf in die Berge schleppen, wo ich sie auf nadelspitze Grate schleuderte gleich Opfergaben an grausame Götter.
In den folgenden Jahrhunderten jagte ich in den Ortschaften der Umgebung, dabei ließ ich entsprechende Vorsicht walten und trank von vielen Menschen, jedoch immer nur wenig, um die Einwohner nicht aufzuschrecken; und manchmal reiste ich weite Strecken, um zu sehen, wie es in Städten zuging, die ich einst gekannt hatte.
Ich besuchte Pavia, Marseille und Lyon, wo ich in den Tavernen saß und, wie es stets meine Angewohnheit gewesen war, voller Wagemut Sterbliche in Gespräche verstrickte und ihre Zunge mit Wein lockerte, bis sie mir erzählten, was in der Welt vor sich ging. Hin und wieder besuchte ich sogar die Schlachtfelder, auf denen die islamischen Krieger ihre Siege erfochten. Oder ich folgte den Franken im Schutze der Dunkelheit in die Schlacht. Und während dieser Zeit – zum ersten Mal als Bluttrinker – schloss ich enge Freundschaften mit Sterblichen.
Das heißt, ich wählte mir einen Sterblichen, zum Beispiel einen Soldaten, mit dem ich mich dann häufig in seiner Schenke traf, wo wir über sein Leben und seine Sicht der Welt sprachen. Nie währten diese Freundschaften lange oder gingen sehr tief, dazu ließ ich es nicht kommen, und immer, wenn mich die Versuchung überkam, jemanden zum Bluttrinker zu machen, reiste ich schnell weiter.
Aber auf diese Weise lernte ich viele Sterbliche kennen, selbst Mönche aus den Klöstern, denn ich scheute mich nicht, sie auf der Straße anzusprechen, besonders, wenn sie durch gefährliche Gegenden reisten; dann begleitete ich sie eine Weile, während ich sie höflich ausfragte – wie es dem Papst und der Kirche erginge oder
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