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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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an?«, fragte sie. »Warum schaut Ihr Euch um, als wäret Ihr an einem gänzlich fremden Ort, was ja nicht zutrifft.«
    »Ganz Venedig erscheint mir entzückend«, antwortete ich, aber mit leiser, vertraulicher Stimme, nicht für den ganzen Saal bestimmt.
    »Ja, nicht wahr«, sagte sie mit unwiderstehlichem Lächeln. »Das finde ich auch. Ich werde nie mehr nach Florenz zurückkehren. Aber werdet Ihr mich malen?«
    »Vielleicht«, entgegnete ich. »Ich weiß Euren Namen nicht.«
    »Das meint Ihr nicht im Ernst!«, sagte sie, abermals lächelnd. Mir wurde plötzlich klar, wie fest sie im Alltag verhaftet war. »Ihr kamt doch nicht her, ohne meinen Namen zu kennen! Ihr meint nicht im Ernst, dass ich das glaube?«
    »Oh, ich weiß ihn wirklich nicht«, sagte ich; denn ich hatte mich nie nach ihrem Namen erkundigt, sondern hatte von ihr nur durch undeutliche Bilder und Eindrücke im Geiste anderer, durch bruchstückhafte belauschte Gespräche erfahren, die ich mit meinen übersinnlichen Fähigkeiten aufgefangen hatte, und nun wusste ich nicht weiter, da ich nicht in ihren Gedanken lesen mochte.
    »Bianca«, sagte sie. »Und mein Haus steht Euch immer offen. Wenn Ihr mich malt, stehe ich in Eurer Schuld.« Weitere Gäste traten ein, und mir war klar, dass sie sie begrüßen wollte, also zog ich mich zurück und nahm sozusagen einen Beobachtungsposten in einer dämmrigen Ecke ein, weit weg vom Kerzenschein. Von dort aus betrachtete ich ihre anmutigen Bewegungen und hörte ihre kluge, klare Stimme. Im Laufe der Jahre hatte ich Tausende von Sterblichen gesehen, die mir nicht das Mindeste bedeuteten, und nun, da ich dieses Geschöpf anschaute, fühlte ich, wie mir das Herz stockte, wie damals, als ich in Botticellis Werkstatt gekommen war, als ich seine Bilder gesehen, als ich ihn, den Mann Botticelli, erblickt hatte. Ja, den Mann.
    Ich verweilte in dieser Nacht nur noch kurze Zeit in ihrem Haus. Aber innerhalb einer Woche kam ich mit einem Porträt von ihr zurück. Es war ein kleines Bild, auf Holzuntergrund gemalt und mit Gold und Juwelen gerahmt.
    Ich sah ihre Verblüffung, als sie es entgegennahm. Sie hatte nicht erwartet, dass es ihr so ähnlich wäre. Ich hingegen fürchtete, sie könne sehen, dass etwas damit nicht stimmte. Als sie mich ansah, spürte ich, wie Dankbarkeit und Zuneigung – und noch etwas anderes, Bedeutenderes – in ihr aufstiegen, eine Gefühlsregung, die sie anderen verweigerte.
    »Wer seid Ihr… wirklich?«, fragte sie in weichem, schmeichelndem Flüsterton.
    »Wer seid Ihr… wirklich?«, fragte ich zurück und lächelte. Sie betrachtete mich ernst. Dann lächelte auch sie, aber sie gab keine Antwort und versiegelte alle ihre Geheimnisse tief in ihrem Herzen – die schmutzigen Taten, Taten, die mit Blut und Gold zu tun hatten.
    Für einen Moment dachte ich, meine übermächtige Selbstbeherrschung zerbräche. Ich wollte sie – ob sie es zuließe oder nicht – umarmen und sie schnell und gewaltsam nehmen, sie aus der Wärme und Geborgenheit ihrer Gemächer in das kalte, tödliche Reich meiner Seele reißen. Ich sah sie, sah sie deutlich, so, als ob der Satan der Christen mir abermals eine Vision schickte – ich sah sie, umgewandelt vom Blut der Finsternis. Ich sah sie, als wäre sie mein, sah ihre Jugend verlodern als Opfergabe an die Unsterblichkeit, und alle Wärme, aller Reichtum kamen ganz allein von mir.
    Ich verließ ihr Haus. Ich konnte nicht bleiben. Nächtelang, nein, monatelang ging ich nicht wieder zu ihr. Während dieser Zeit empfing ich einen Brief von ihr. Das erstaunte mich sehr, und ich las ihn wieder und wieder und verwahrte ihn dann in einer Tasche meiner Tunika, nah an meinem Herzen.
     
Mein lieber Marius,
    warum schenkt Ihr mir nur ein brillantes Gemälde, wenn ich doch gern zusätzlich Eure Gesellschaft hätte? Wir sind hier stets auf der Suche nach Unterhaltung, und wir sprechen oft und freundlich über Euch. Kommt doch bitte wieder einmal zu mir. Euer Bild nimmt an der Wand meines Salons einen Ehrenplatz ein, damit ich die Freude daran mit meinen Gästen teilen kann.
     
    Wie war es dazu gekommen, zu diesem Verlangen, mir eine Sterbliche zum Gefährten zu machen? Nach so vielen Jahrhunderten? Wodurch hatte ich dieses Verlangen heraufbeschworen? Ich hatte angenommen, dass es bei Botticelli mit seinem bemerkenswerten Talent zu tun hätte und dass ich, mit meinem scharfen Blick, meinem hungrigen Herzen, Das Blut mit seiner unerklärlichen Begabung mischen wollte.
    Aber

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