Clemens Gleich
Beiläufigkeit der Geste litt ein wenig darunter, dass er beim versucht lässigen Gruß sein Klemmbrett fallen ließ. Das Blut schoss ihm ins Gesicht, er bückte sich, um seine Notizen aufzuheben, was seinen Kopf erst recht erröten ließ und als er schließlich verlegen grinsend wieder stand, fing er auch noch an zu schwitzen. Es war heute nicht sein Tag. Es war nie sein Tag.
"H-hey! Äh...", startete er erneut, aber Mara schnitt ihm barsch das Wort ab:
"Halt ja das Maul!" Sie gestikulierte ihrer Freundin zu. "Elis, zeig ihm doch einfach die Vollmacht, dann können wir endlich abhauen." Elis trug zu ihrer üblichen melancholischen Miene ein weißes, mehrschichtiges Kleid aus einem bedruckten Knitterstoff, das sehr unschuldig wirkte, obwohl man gleichzeitig das Gefühl hatte, durch den Stoff sehen zu können. Außerdem trug sie eine Dokumententasche, der sie einen Bogen entnahm und diesen wortlos dem Techniker überreichte. Seinen Namen erfragte niemand. Als der arme Mann die Vollmacht auf Authentizität prüfte, fragte Elis müde aus dem Mundwinkel:
"Ist bei der Prägung alles normal gelaufen?" Wer sie (wie dieser Techniker) nicht kannte, deutete Elis' kaum vorhandenes Mienenspiel oft als Zeichen der Ablehnung, obschon es eigentlich maximal Gleichgültigkeit anzeigte.
"Äh, ja. Alles, äh, normal; keine Probleme", bestätigte der Techniker mit einem weiteren Blick in seine Unterlagen.
Das alles registrierte Pikmo in seiner grünen Kunstgebärmutter, ohne ein einziges Detail zu verstehen. Er interessierte sich ohnehin nur für die eine der Damen. Die ließ eben ihren Blick durch den Raum schweifen und traf dabei auf den von Pikmo in seinem Tank. Ein Hochspannungsschock fuhr aus ihren Pupillen direkt in sein Rückenmark, der sich von dort bis in die letzten Nervenenden ausbreitete. Elis schien seine Reaktion zu bemerken, war aber offenbar wenig erfreut darüber. Er wollte alles tun, um ihr zu gefallen; alles, damit sie sich gut, besser, perfekt fühlte, doch gleichzeitig war er nicht in der Lage, seine wenig willkommene Freude zu verbergen.
"Gut, mach ihn fertig", sagte Elis mit Blick auf den Techniker. Für Pikmo war es, als ginge in seiner Welt das Licht aus, als er das Flutlicht ihres Augenkontakts verlor.
Eine hastige halbe Stunde später standen die zwei Damen und der Fellige in einem der Standardzimmer des Hotels Wellenkämmer. Für einen Abstellraum war selbst diese günstigste Kategorie der Unterbringung extrem teuer, doch Elis und Mara waren einfach ins nächstliegende Hotel gerannt. Pikmo saß strahlend auf dem weichen, breiten Bett. Er tat alles mit beinahe radioaktiv strahlendender Freude, was Elis ihm befahl. Auf eine Art, die so im ursprünglichen Pflichtenheft nie vorgesehen war, ging diese Hingabe direkt von seiner Hardware, oder besser: seiner Wetware aus, sie hatte nicht das geringste mit Logik oder höheren sozialen Emotionen zu tun. Unter seinem maßgefertigten Lederschurz zeigte sich eine kräftige Erektion. Mit Verzückung beobachtete er Elis' Mund, dem gerade weitere Instruktionen entströmten.
"Du bleibst jetzt einfach hier und wartest auf mich", sagte sie. "Wir kriegen das alles irgendwie hin." Sie richtete einen einäschernden Blick auf Mara, die erst schmollte und schließlich ihre Schuhe inspizierte. Ohne weitere verbale Kommunikation verließen die beiden das Zimmer. Pikmo guckte träumerisch entrückt die Tapeten entlang. Ein Pferd stand im Zimmer. Pikmo drehte den Kopf weiter in die Richtung des Tiers. Ein feister Reiter in rot saß darauf. Zwei weitere Reiter, ein paar Hunde und ein Felliger erschienen auf dem Teppich, bevor sich die Illusion des Hotelzimmers langsam auflöste, zusammen mit derjenigen, Pikmo zu sein. Pi saß im Morast. Das Grinsen seines Bruders lag ihm immer noch im Gesicht und zeigte in dieser feindlichen Umgebung eine sehr unschmeichelhafte Wirkung.
"Hab ich dich!", rief Hauptmann Gramp triumphierend vom hohen Ross herunter. Seine Wächter legten Pis widerstandslosen Armen Handschellen an und platzierten dann ihre Kurzschwerter wie im Lehrbuch unter "Täterkontrolle" empfohlen. Es war ein relativ praxisnahes Lehrbuch, was bedeutete, dass die Spitzen der Klingen nicht eine Fingerbreite vor der Haut des Täters standen, sondern eine dahinter. Langsam sickerte fast schwarzes Blut aus den kleinen Wunden, doch Pi schien das nicht zu spüren. Im angenehmen Nachwirbel seiner seltsamen Drogen schwankte er sanft in einem Wind, der nur ihn allein betraf und grinste
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